Rettungskreuzer Ikarus Band 015 - Die abwartende Dominanz
Doktor?«
Anande sah auf, noch ganz in die medizinischen Daten vertieft, und nickte schwach.
»Sind Sie dieser Aufgabe gewachsen?«, fragte Sentenza.
Der Arzt erwiderte seinen Blick, diesmal konzentriert.
»Es scheint mir, dass ich der Einzige weit und breit bin, der mit diesen
Daten etwas anfangen kann, Captain«, antwortete er mit fester Stimme. »Ich
erinnere mich an Dinge ..., wie so oft, weiß ich nicht, woher ..., aber
wenn ich einige Untersuchungen gemacht habe, wird das Bild sicher deutlicher.«
Sentenza nickte. »Dann wollen wir uns nicht mehr länger aufhalten.
Ab zum Hangar.«
Sonja erschien in diesem Moment auf der Brücke, warf An'ta, die schweigend
der Konversation zugehört hatte, einen langen, abschätzenden Blick
zu, strich Sentenza mit einer Hand über den Rücken und setzte sich
mit einem leichten Lächeln in den Kommandositz. An'ta tat, als hätte
sie von alledem nichts bemerkt. Sie folgte Sentenza, als dieser die Brücke
verließ.
Seit die Grey auf die Ikarus zurückgekehrt war, herrschte eine seltsame
Stimmung an Bord. Das mochte damit zusammenhängen, dass die Rückkehr
an sich mit allgemeinem Unglauben quittiert worden war. Es hatte bestimmt auch
damit zu tun, dass An'ta sich bisher standhaft geweigert hatte, über die
Umstände ihrer »Wiedergeburt« Auskunft zu geben. Offenbar hüteten
die Grey ein großes Geheimnis. Sicher trug auch die Tatsache zu der Unsicherheit
bei, dass der neue Körper der Grey aus der feuchten Fantasie eines menschlichen,
männlichen Teenagers erschaffen worden war, und Sentenza erkannte darin
vor allem ein Problem: Sowohl Anande als auch Weenderveen zogen An'ta mit den
Blicken förmlich aus, und es schien dem Captain, als würde die Grey
es exakt darauf anlegen.
Er würde mit ihr reden müssen.
Wenn Zeit war.
Wenige Augenblicke später schwebte das Beiboot aus der Ikarus und
glitt langsam auf den Raumhafen Pronths zu. Die Hauptwelt war der einzige Planet
der Hegemonie, der über eine einigermaßen dichte Bevölkerung
verfügte. Der Raumhafen war der Knotenpunkt, über den ein Großteil
des Außenhandels abgewickelt wurde. Es gab insgesamt nur drei Sternentore
in der Hegemonie; die meisten der insgesamt 17 Systeme waren relativ isoliert,
von den regelmäßigen Rundflügen der beiden einzigen SAL-Frachter
der staatlichen Handelsflotte einmal abgesehen. Alles in allem machte der gesamte
Verbund einen hinterwäldlerischen Eindruck.
Als das Beiboot die Wolkendecke durchbrach und das Bild der modernen Hauptstadt
des Planeten – Nevian – sichtbar wurde, mit seiner gut ausgebauten
Infrastruktur, dem herumwirbelnden Überlandverkehr und dem großen
Areal des erst vor wenigen Jahren generalüberholten Raumhafens, wich dieser
Eindruck schnell. Mochte die Hegemonie im Vergleich zu vielen anderen Sternenstaaten
nicht allzu viel hermachen, auf ihre Hauptstadt konnte sie zu Recht stolz sein.
An'ta steuerte das Beiboot mit sicherer Hand. Als es wenige Minuten später
auf dem zugewiesenen Landeplatz aufsetzte, warteten bereits zwei Gleiter und
zwei Empfangskomitees vor dem Außenschott. Anande betrat als Erster den
Boden des Planeten.
Heiße, trockene Luft schlug ihm entgegen. Pronth war keine Wüstenwelt,
wies aber eine hohe Durchschnittstemperatur auf und hatte einen langen, drückenden
Sommer. Nicht weit von Nevian gab es Wüstengebiete, die nur schwach erschlossen
waren, und an Tagen wie diesem wehte ein feiner Staubmantel von dort über
das weite Areal des Raumhafens. Sofort stand den Besuchern der Schweiß
auf der Stirn. Die goldgelbe Farbe des Himmels wirkte faszinierend, der hohe,
sandfarbene Schutzwall, der den Raumhafen und die zentralen Gebäude umgab,
erinnerte jedoch an verheerende Sand- und Staubstürme, die hin und wieder
auch über Nevian hinwegfegten. Zurzeit herrschte nur eine leichte Brise,
leider nicht genug, um wirklich abkühlend zu wirken.
Dann wandten sich Sentenza und seine Leute ihren Gastgebern zu.
Eine Pronthiri aus dem Volk der Unbarthii trat vor. Obgleich es neben drei Stammvölkern
noch zahllose Einwanderer anderer Regionen der bekannten Galaxis in der Hegemonie
gab, waren die Unbarthii ohne Zweifel die dominierende Spezies. Außerhalb
der Hegemonie galten sie als Inbegriff der Pronthiri. Die schmächtig gebauten
Humanoiden mit den feinen Gliedmaßen und dem haarlosen Körper wirkten
auf den ersten Anschein harmlos und ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher