Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
Sie nicht erwähnt.«
»Ich hatte nicht damit gerechnet, sie hier zu sehen.«
»Gibt es noch irgendetwas, was ich über Sie wissen sollte? Irgendeine
Assoziation, eine Erinnerung?« Thangs Stimme war ohne jede Anklage darüber,
dass Anande ihm diesen winzigen Brocken Information vorenthalten hatte. Kurz
zögerte der Arzt und dachte an seinen leidenschaftlichen Traum, dann entschied
er, dass es nicht der richtige Zeitpunkt für Geheimnisse war.
»Ich vermute, wie standen uns persönlich sehr nahe, zumindest auf
einer körperlichen Ebene.«
Der Anwalt nickte und hörte zu, wie die Personalien der Zeugin verlesen
und bestätigt wurden. Dies würde ein Heimspiel für von Bussev
werden, denn ohne vorbereitet zu sein, konnte es sich als riskant erweisen,
gerade dieser Zeugin Fragen zu stellen. Mit einiger Spannung wartete Thang ab,
was nun kommen würde.
»Professor Sorren, sie sind seit 16 Monaten Mitglied des Aufsichtsrates
des ›Holy Spirit Medics‹ Konzerns und haben davor mehrere Fachbereiche
in dem Unternehmen geleitet und koordiniert. Sie sind selber nicht in der wissenschaftlichen
Forschung tätig.«
»Nein, ich habe meinen Titel in Betriebs- und Verwaltungswissenschaften«,
bestätigte Anna Sorren. Ihre Stimme war nicht laut, aber ruhig und angenehm
im Klang mit einem Akzent, der noch immer verriet, dass sie ursprünglich
von einer der Randwelten des Raumcorps kommen musste.
»Im Rahmen Ihrer Tätigkeiten haben Sie den Angeklagten, der damals
ein führendes Mitglied der Forschungsabteilung Genetik war, kennen gelernt
– auch auf einer sehr persönlichen Ebene.«
»Wir waren liiert, ja.«
»Haben Sie etwas von den Experimenten mitbekommen, die Jovian Anande zu
dieser Zeit gemacht hat? Den offiziellen oder dem illegalen, wegen dem er hier
vor Gericht steht?«
»Ja und nein. Ich wusste, dass er an einer großen Sache arbeitete,
die ihn sehr gefangen nahm, aber keine Details. Er hat nie versucht, mir etwas
von seiner konkreten Arbeit zu erzählen, schon aus dem einfachen Grunde,
dass jemand, der nicht selber Gentechniker ist, nichts von den auch nur alltäglichen
Dingen verstehen würde.«
»Er hat auch keine Andeutungen gemacht? Nicht einmal in besonders ... entspannten
Momenten?«
Ein Hauch von Röte flog über die Wangen der Zeugin, aber ihrer Stimme
war die Verlegenheit nicht anzumerken, als sie nachdrücklich verneinte.
»Was haben sie empfunden, als Jovian Anande plötzlich verschwand?
Haben Sie von seinem Verbrechen gewusst?«
»Keine Details. Ich war schockiert – mir wurde gesagt, er hätte
selbständig illegale Experimente an Embryonen durchgeführt und sei
deswegen entlassen worden, aber mehr habe ich nie erfahren. Doktor Self hat
mich erst kürzlich eingeweiht. Doktor Anande verschwand einfach und kam
nie wieder in seine Wohnung zurück oder meldete sich bei mir. Lange dachte
ich, er hätte sich vielleicht etwas angetan. Dann sah ich ihn in einem
Bericht über den Rettungskreuzer und war ... wütend. Er hat mir nie
eine Nachricht zukommen lassen.«
»Wie lange waren Sie mit ihm, sagen wir mal, persönlich bekannt?«
»Fast ein Jahr.«
»Das ist eine lange Zeit. Was können Sie uns über den Menschen
Anande sagen.«
Wieder anscheinend gegen ihren Willen wanderte ihr Blick zu ihrem ehemaligen
Liebhaber hinüber, der ihn ungerührt erwiderte. Äußerlich
ganz ruhig, tobte in Anandes Inneren jedoch ein Gefühlsorkan. Mit dieser
Frau war er also ein Jahr lang zusammen gewesen und sie kannte ihn mehr und
besser, als er sich selbst. Ob sie glücklich gewesen waren? Warum sagte
sie jetzt gegen ihn aus? Oder würde sie für ihn sprechen? Als hätte
sie seine Gedanken erraten, wandte Anna Sorren den Blick wieder ab, und ihre
Stimme wurde härter, bekam etwas Geschäftsmäßiges.
»Jovian Anande ist ... oder war ... ein Perfektionist, der hauptsächlich
für seine Arbeit lebte. Meistens verbrachte er mindestens zwölf Stunde
pro Tag – jeden Tag – in den Labors. Er stellte an sich und seine
Mitarbeiter die allerhöchsten Anforderungen und war nie mit Halbherzigkeiten
oder Kompromissen zufrieden. Die Maßstäbe, nach denen er lebte, waren
Effektivität und Professionalität und sein Ziel nie weniger als Perfektion.«
»So, wie er auch den Embryo der Kant'Takki effektiver und für seine
Belange perfekter gestaltet hat«, ergänzte von Bussev und nickte.
»Betraf dieser Perfektionsgedanke auch ihre
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