Rettungskreuzer Ikarus Band 019 - Die Knotenwelt
wieder ein Ruck durch die Kabine. Dann hörten die Geräusche
gänzlich auf.
Weder das leise Summen, welches sie die letzten Stunden begleitet hatte, noch
das ferne Brummen der Antriebsaggregate war zu hören. Es herrschte vollkommene
und unheimliche Stille. Kein Lichtstrahl drang zu den drei Menschen in ihre
Ruhestätte. Nur Atemgeräusche waren zu hören: Eines langsam und
ruhig wie von einem Schlafenden, das andere schnell und abgehakt, das dritte
laut und gleichmäßig.
Minute um Minute verstrich. Nichts geschah. Zeit dehnte sich zu einer scheinbaren
Unendlichkeit. Nichts.
Weder Taisho noch Sessha sprachen. Auch ohne sich sehen zu können, ohne
die optischen Anzeichen von Erschöpfung und Resignation erkennen zu können,
wussten sie, dass es keinen Sinn hatte, über Wahrscheinlichkeiten zu diskutieren,
den jeweils anderen zu trösten, ihm Lügen zu erzählen, von denen
sie beide ahnten, dass es Lügen waren.
Eine stumme Übereinkunft war getroffen worden: Sie konnten nichts tun,
außer abwarten.
Erneut beneidete Taisho den ohnmächtigen oder tief schlafenden Jason Knight.
Er bekäme nichts von dem mit, was aller Wahrscheinlichkeit nach bald zu
einer Katastrophe führen musste. Zumindest zu einer Katastrophe für
die Drei hier drinnen. Ein mittelgroßer Transportraumer registrierte den
Zusammenprall mit ihrer Schrottkiste wahrscheinlich gar nicht. Ein Kratzer an
der Schiffshülle, ein paar Cupros mehr, um den Minimalschaden in der nächsten
Werft beheben zu lassen, eine Schönheitsoperation sozusagen, aber von Sessha,
Taisho und Jason spräche niemand mehr.
Unvermittelt brach die Hölle los. Ein infernalisches Kreischen ließ
Taisho die Hände schützend über die Ohren legen. Jetzt musste
es so weit sein!
Mit weit aufgerissenen Augen versuchte Taisho, die Dunkelheit zu durchdringen.
Aus unerfindlichen Gründen wollte er das Ende sehen, erkennen, wer oder
was sein Leben auslöschen würde.
Genau dort, wo Taisho hinstarrte, entstand ein diffuser Lichtbogen, der sich
in rasender Schnelligkeit zu einem grellen Lichtfinger entwickelte. Taisho glaubte,
schier blind zu werden. Seine Augen tränten ob der plötzlichen Helligkeit.
Jason öffnete die Augen. Und schloss sie sofort wieder. Vor seinen Augen
drehte sich alles. Nur langsam ergab die Geräuschkulisse, die an sein Ohr
drang, einen Sinn. Und je mehr er von dem verstand, was da geredet wurde, umso
mehr wünschte er sich, nicht aufgewacht zu sein!
»Wie stellst du dir das vor? Wir können ihm doch nicht einfach sagen
›Hi Jason! Du hast eben mal ein Schiff von Ansa ... der Bewegung vernichtet.
Natürlich inklusive Clia und der restlichen Besatzung. Schätze, der
letzte geheime Stützpunkt ist auch nicht mehr so geheim. Und du bist mit
Sicherheit nicht mehr der Anführer. Wenn nicht aus dem Grund, dass dich
alle für tot halten, dann, weil Sinj, sofern sie noch lebt, dich abgesetzt
haben wird. Deine Erfolge der letzten Wochen sprechen ja nun nicht gerade für
dich. Die Verluste, die wir einstecken mussten, haben an der Substanz gezehrt.
Und das nicht zu wenig.‹ Sollen wir ihm das ...«
»Jetzt aber mal ruhig, Taisho. Erst einmal wollen wir doch abwarten, wie
es ihm geht.«
Sessha legte einen Arm über Taishos Schulter und zog ihn an sich heran.
Taisho drehte sich zu der weißhaarigen Frau, die es immer wieder schaffte,
ihn zu beruhigen, ihm die Tatsachen vor Augen zu führen und nicht gleichzeitig
versuchte, Emotionen zu verleugnen.
Taisho umfasste Sessha an den Hüften und blickte in ihr Gesicht. Er versank
fast in den tiefblauen Augen. Er küsste Sessha zärtlich auf das Tatoo,
das ihr rechtes Auge umrahmte, und löste sich dann von ihr.
»Du hast ja Recht. Aber er muss sich doch den Tatsachen stellen! In den
Wochen, seit Shilla sich mit dem Exekutor aus dem Staub gemacht hat, hat Ans
... hat die Organisation nur Verluste gemacht. Seine Einsätze führten
zu nichts. Ziellos hat er die wenigen Schiffe auf Missionen geschickt, Transporte
angreifen lassen und dadurch wahrscheinlich viel zu viel Aufmerksamkeit auf
die Organisation gelenkt. Die Leute sind erschöpft, erkennen keinen Sinn
hinter dem, was Jason tut. Er ...«
»Natürlich, Taisho. Aber glaubst du, dass es unter Alix Sinj anders
gelaufen wäre? Sie hätte womöglich andere Gründe vorgeschoben.
Aber ob Ehre, Rache, was auch immer, das Endresultat wäre das gleiche geblieben.
Natürlich«,
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