Rettungskreuzer Ikarus Band 020 - Sankt Salusa
Roboter Sallys
Gepäck verstaut hatte, glitten die Türen zu, und mit einem kaum merkbaren
Ruck setzte sich das Fahrzeug in Bewegung. Binnen kürzester Zeit hatte
es sich in den dichten Nachmittagsverkehr eingefädelt und hielt auf die
Zitadelle des Zentraldomes zu, in dessen Areal die Verwaltungskomplexe der Galaktischen
Kirche lagen.
»Wer ist für uns zuständig?«, fragte Sentenza in die Stille
hinein. Sally schien nicht von sich aus Auskunft über die weiteren Schritte
geben zu wollen.
»Wir treffen einen Mitarbeiter des Prior Camerlengo. Sein Name ist Sebasius,
und er ist so etwas wie der persönliche Vertraute des Erzpriors. Er wird
uns während unseres Besuches begleiten.«
»Begleiten? Wohin? Ich dachte, wir reden mit denjenigen, die etwas wissen,
und verschwinden wieder?«
Sally wirkte abwesend, als sie erwiderte: »Es scheint, als wolle man die
Informationen ... visualisieren.«
Sentenza wollte etwas erwidern, besann sich dann aber eines besseren. Seine
Chefin sah so aus, als würde sie etwas beschäftigen, und sie wirkte
alles andere als gesprächig. Er lehnte sich zurück und genoss den
Ausblick.
Die Limousine hatte sich derweil auf die höchste Luftstraße begeben,
sicher nicht zuletzt, um den Passagieren die bestmögliche Aussicht zu bieten.
Und diese war in der Tat beeindruckend: Der Zentraldom wuchs langsam vor ihnen
in die Höhe, ein gigantisches Gebäude, dessen Architektur gleichzeitig
Würde wie auch eine gewisse verspielte Leichtigkeit ausdrückte. Der
massive Hauptbau, dessen goldene Kuppel in der Nachtmittagssonne glänzte,
konnte bis zu 4000 Gläubige aufnehmen und war, das wusste Sentenza aus
eigener Anschauung, innen reich mit Fresken, Statuetten und kunstvoll gestalteten
Buntscheiben ausgestattet. Von den vier Ecken des Bodenfundamentes, auf dem
die Kuppel errichtet war, gingen freitragende Brücken auf Nebengebäude
zu, die entsprechend der Traditionen der Galaktischen Kirche die vier religiösen
Grundpfeiler des Glaubensgebäudes darstellten, die in der zentralen Kuppel
symbolisch zusammengeführt wurden: Verehrung der Alten Völker, architektonisch
umgesetzt im ältesten Bauwerk, das spiralförmig gebildet, flach am
Boden lag und in dessen Mitte sich die stilisierte Darstellung eines Staubnebels
fand, der Geburtsstätte von Sternen und damit auch der Herkunft der Alten
Völker. Tausende auf Gravofeldern ruhende Miniaturlampen kreisten in einem
fest vorprogrammierten Kurs umeinander und bildeten somit den Gesamteindruck
einer röhrenförmigen, aber an den Seiten ausgefransten und durch das
helle Licht junger Sonnen aufgeblendeten Staubwolke. Jeden Abend, kurz nach
Sonnenuntergang, konnten die Gläubigen und Touristen die holographische
Darstellung einer Hypernova bewundern, die in einer gigantischen Explosion entstand
und zwei starke Gamma-Jetstreams ausstieß, die sich in der Schwärze
der Nacht verloren.
Das zweite Gebäude, das mit dem eigentlichen Dom verbunden war, symbolisierte
die Wiederauferstehung aus der Asche. In der irdischen Mythologie durch den
Vogel Phönix dargestellt, hatte man dieses Bauwerk erst nach der Großen
Stille angefügt – vorher war dieser Platz durch das alte Verwaltungszentrum
des Erzpriors okkupiert gewesen. Ein schlanker Turm reckte sich in die Höhe,
der an seiner Spitze in einer holographischen Darstellung endete. Diese war
einem beständigen Wandel unterlaufen, zeigte jedoch grundsätzlich
immer das gleiche Bild: eine geballte Faust. Um jedoch jeden Ethnozentrismus
zu vermeiden, wandelte sich das Bild entsprechend der Konstitution der Mitgliedsvölker,
die in der Kirche vertreten waren, und manchmal wurde aus der Faust ein anderes
körperliches Merkmal, das etwa bei Wasserwesen Entschlossenheit ausdrückte.
Die Kraft dieses Symbols verfehlte jedoch nie ihre Wirkung, sie zeigte den Willen
zum Wiederaufbau nach der Katastrophe und die zentrale Rolle, die die Kirche
dabei gespielt hatte.
Das dritte Gebäude, dem sich die Limousine nunmehr näherte, stellte
die Demut im Gebet dar. Es war schlicht, gänzlich weiß, von klarer
Linienführung, ohne jeden Schnörkel, aber mit einer gewissen Würde.
In ihm gab es zahllose Gebetshallen sowie Meditationszellen, den Ansprüchen
fast aller galaktischen Völker entsprechend. Jedes Jahr pilgerten Tausende
Suchender hierher, um in teilweiser oder völliger Isolation den Glauben
zu suchen und
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