Rettungskreuzer Ikarus Band 021 - Putsch der Heiligen
einfach: Wir müssen die Ketzer loswerden und den Schrein zurück
erobern. Letzteres ist das Wichtigste.«
»Wir können Ihnen keine militärische Hilfe geben. Wir sind wenige
und unbewaffnet, darüber hinaus kennen wir die hiesigen Umstände nicht
genügend«, gab Flech zu bedenken.
»Wie können Sie dann für uns eine Hilfe sein?«
»Ich weiß es noch nicht.«
Die Offenheit Flechs schien den Prior zu freuen. Dennoch wirkte er sichtlich
besorgt.
»In der Stadt herrscht jetzt Ruhe, Besucher. Aber die hiesigen Sympathisanten
der Ketzer warten nicht. Gerüchte machen die Runde. Die Rede ist von Dämonen,
die den Schrein zerstört haben. Uhul ist anderer Ansicht und ich bin geneigt,
ihm zu glauben. Aber meine Autorität hat ihre Grenzen. Der Schrein nimmt
in unserem Denken einen großen Stellenwert ein. Dass die Ketzer ihn in
Händen halten, ist schmerzhaft und die Ketzer drehen mit ihren Gerüchten
die Waffe in der Wunde herum. Wir können die Stadt nicht abschotten und
wir können den Leuten nicht sagen, was sie glauben sollen oder nicht.«
Eine bemerkenswert moderne Einstellung, dachte Sentenza.
»Wenn nicht bald etwas geschieht, dann wird sich die Stimmung möglicherweise
gegen Sie kehren«, meinte der Prior. »Ab einem gewissen Punkt kann
ich meine schützende Hand nicht mehr über Sie halten. Sie werden verstehen,
dass ich an gewisse Regeln gebunden bin. Wir müssen vorher handeln. Und
wenn Ihre Rolle prominent ist – und positiv –, dann wird die Stadt
ruhig bleiben. Wenn wir zögern, abwarten und niemand von Ihnen hilfreich
in Erscheinung tritt, wird es schwierig. Möglicherweise wird es tödlich.«
Für einen Moment wusste keiner der Anwesenden etwas darauf zu sagen.
Der Prior erhob sich.
»Viel mehr gibt es nicht zu besprechen, zumindest für diesen Augenblick.
Ich werde nun die Medici rufen, damit man Ihre Wunden behandelt. Es wird spät,
also lassen wir die Nacht verstreichen, ehe wir uns erneut treffen. Ich habe
im Amtssitz sichere Unterkünfte für sie vorbereiten lassen.«
Er wollte sich abwenden, zögerte dann und wandte sich an Serbald. Bisher
hatte er den Prior, eigentlich seinen »Kollegen« nicht direkt angesprochen.
Vielleicht fühlte er sich in dieser Situation genauso unwohl wie Serbald
selbst.
»Mit Euch, Eminenz, würde ich gerne noch sprechen, wenn der Medicus
es erlaubt und wenn Ihr die Kraft findet.«
Serbald lächelte und nickte.
»Ich stehe Euch zur Verfügung.«
»Die Kirche hier war lange abgeschnitten. Ich habe ... Fragen.«
»Ich auch.«
»Dann zur späten Stunde.«
Damit verließ er den Raum.
Arbito-Tentakel konnten ausgesprochen sanft sein. Sentenza wusste, dass sie
sehr stark waren – ihre Stärke war gefürchtet –, doch auch
das hatte er eigentlich nur von Ferne wahrgenommen. Er erinnerte sich an einen
Maat auf der Antagonist , einen Arbito, der Flottenchampion im Ringen
gewesen war, seit gut fünfzehn Jahren ungeschlagen. Er war von all jenen
gefürchtet, die als Rabauken sonst gerne über die Stränge schlugen.
Hatte er Dienst, vor allem bei Landgang, und übernahm militärpolizeiliche
Aufgaben, brach Frieden am Raumhafen aus. Wenn es darum ging, betrunkene Schiffsangehörige
aus den Spelunken zu fischen, war er ein Ein-Mann-Stoßtrupp gewesen und
hatte bis zu vier heftig unzurechnungsfähige Kameraden unter seine Tentakel
geklemmt. Für Sentenza waren seitdem Arbito nette, umgängliche, intelligente
und zuverlässige Schläger gewesen. Der Medicus des Priors – ein
Staubdiener mit Namen Helgior – rückte diesen Eindruck zurecht. Die
Art und Weise, wie er ein sorgsam abgekochtes, offenbar aus Messing bestehendes
Instrument in die halboffene Schusswunde einführte, um mit delikaten Bewegungen
die Kugel aus der Schulter zu lösen, nötigte dem nur lokal betäubten
Sentenza großen Respekt ab. Die Tatsache allein, dass lokale Betäubung
hier offenbar gut bekannt war – wenngleich Sentenza lieber ein Mittel aus
dem Erste-Hilfe-Paket nahm –, war schon beeindruckend gewesen. Helgior
hatte gar keine Zeit damit verloren, Sentenza beruhigen zu wollen. Er hatte
auf sehr selbstsichere und bestimmte Art mit der Arbeit begonnen und die Operation
innerhalb von fünf Minuten beendet. Ein einfacher Druckverband hatte die
nur schwache Blutung unter Kontrolle gebracht, den Rest würden die Impfdepots
in Sentenzas Körper erledigen. Sentenza hatte sich nicht überschwänglich
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