Rettungskreuzer Ikarus Band 035 - Kontakt
reine Vermutungen
können uns auch nicht auf das vorbereiten, was dann geschehen wird. Halten
wir uns lieber an die Fakten und bereiten uns auf jede nur erdenkliche Entwicklung
vor. Nirat wird seine Gründe gehabt haben, nicht alle Trümpfe offen
zu legen, die er in der Hinterhand halten mag. Jason, wir müssen Taisho
Zeit lassen. Bestimmt erweisen sich unsere Sorgen am Schluss als völlig
unbegründet.«
»Na, schön.« Jason gab dem Drängen der Vizianerin widerstrebend
nach. »Ich bin einfach kein Freund von Überraschungen und würde
mich wohler fühlen, hätte ich wenigstens einige Anhaltspunkte. Aber
du hast Recht. Wer weiß, wie verschlungen Nirats Gedankengänge waren,
dass selbst Celeste sich nicht in ihn hinein versetzen und mögliche Auswege
nennen kann. Hoffen wir, dass sich Taisho erholt und alles klappt.«
»Ich werde euch mitteilen, wann der Funkspruch gesendet werden kann.«
Celeste zog sich zurück, offensichtlich nicht im Mindesten besänftigt.
Shilla löste die Bindung einen Moment später, und Jason folgte ihrem
Beispiel.
Als er das vage Schwindelgefühl überwunden hatte, dass die Rückkehr
seines Bewusstseins in den Körper begleitete, wusste er, noch bevor sich
das tulpenförmige Terminal von seinem Gesicht hob, dass etwas anders war.
Er saß schief auf dem Pilz, und eine Ranke verhinderte, dass er hinab
rutschte.
»Oh, Jason ...«
Jason blinzelte. Das Erste, was er sah, war Shilla, die von zwei Lianen an den
Füßen gehalten wurde und mit dem Kopf nach unten von der Decke baumelte.
Ihr Pilz war umgestürzt, und die grünen Blätter ihrer Tulpe hingen
geknickt herab.
Wohin Jason auch schaue, er erblickte nur Zerstörung: entwurzelte Pilze,
geköpfte Blüten, abgerissene Ranken, verfilztes Moos, abgefallene
und liegende Grasbüschel. Die Wände waren näher gekommen. In
ihnen gähnten dunkle, faulig riechende Löcher. Der Boden war wellig,
warf morastige Blasen und wirkte instabil. Der würzig-erdige Geruch wurde
von einem Ekel erregend süßen Verwesungsgeruch überlagert.
»Was, bei allen Sternenteufeln, ist geschehen?«
Shilla seufzte. »Celeste.«
»Das kann doch nicht sein.« Er verstummte und setzte die Kommunikation
gedanklich fort, während er sich aus der Umklammerung der widerspenstigen
Schlingpflanze befreite. »Sie hat sich selbst Schaden zugefügt. Wieso
hat sie das getan?«
»Du hast sie in die Enge getrieben und wütend gemacht. Ich habe das
schon einmal erlebt, nur nicht so heftig. Das war vor einigen Stunden, als du
ihr dieselben Fragen gestellt hast und sie Taisho freigeben musste.«
»Das ahnte ich nicht.« Jason schluckte. »Als du davon erzählt
hattest, hielt ich es für eine harmlose Reaktion, mit der sie ihrem Ärger
Luft machte, doch wie es scheint, habe ich sie unterschätzt. Das Miststück
ist um einiges gefährlicher, als befürchtet.«
»Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, Celeste nicht unnötig zu provozieren?«
Jason legte einen Arm um Shillas Taille, entzog sie dem Halt der Lianen und
stellte sie auf die Beine. »Bist du in Ordnung?«
»Mir ist nichts passiert.« Plötzlich verengten sich ihre Augen.
»Was ist das?«
»Was?«
»Du hast einen braunen Fleck am Kinn. Und auf dem Handrücken ist eine
ähnliche Verletzung«
Verwundert betrachtete Jason die daumennagelgroße Verfärbung. Sie
sah aus wie ein langsam heilender Bluterguss. Wenn man darauf drückte,
tat es nicht weh. Jason zuckte mit den Schultern. »Das ist nichts. Wahrscheinlich
war das die Ranke, als sie mich packte.«
»Um auf unser Verhalten gegenüber Celeste zurückzukommen -«
»Ja, wir wollten vorsichtig sein, aber wir können doch nicht einfach
abwarten, bis Nirat den Catzig aus der Box lässt und Celeste uns in Moos-Zombies
verwandelt oder sonst was mit uns anstellt. Wir haben gerade eben einen kleinen
Vorgeschmack erhalten, wozu sie in der Lage ..., wozu sie bereit ist,
wenn ihr etwas nicht gefällt. Und ich habe lediglich eine Frage gestellt,
die jeder in dieser Situation an sie gerichtet hätte.
Falls sie plötzlich zuschlägt, wird es so schnell gehen, dass uns
keine Zeit zu einer Gegenwehr bleibt. Celeste ist das Schiff , Shilla.
Hier gibt es keinen einzigen sicheren Ort, an den wir uns zurückziehen
könnten. Wir sind ganz ihrer Willkür ausgeliefert. Mag sein, dass
sie Gewalt vermeiden möchte, wenn es auch ohne geht, aber sie wird vor
nichts zurückschrecken, um die
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