Rettungslos verliebt
langsamer gehen, denn sie hatte es nicht eilig.
Obwohl sie in der Großstadt aufgewachsen war und sich wie ein winziger Punkt in der unendlichen Weite dieses Lands vorkam, fühlte sie sich nicht eingeschüchtert. Natürlich hatte ihr Vater sie und Daisy auf seinen Fahrten ins Outback mitgenommen, und vielleicht hatte Lydia sich von seiner Begeisterung anstecken lassen. Jedenfalls hatte sie das Gefühl, seit ihrer Ankunft auf Katerina besser zu verstehen, worauf es im Leben ankam oder was es überhaupt bedeutete.
Trotz aller Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten war das Leben auf der Farm nicht immer leicht, denn man musste die Hitze, den Staub, die Insekten und auch die Einsamkeit während der Regenzeit ertragen. In den regenreichen Monaten waren die Pisten unpassierbar, und das Flugzeug war das einzige Fortbewegungsmittel.
Lydia zuckte die Schultern und ließ Billy wieder galoppieren.
Vielleicht fühle ich mich nur deshalb manchmal so ruhelos, weil ich kein bestimmtes Ziel habe, überlegte sie.
Als Lydia am Platz eintraf, wo die Rinder zusammen getrieben worden waren, spürte sie die Unruhe unter den Tieren. Der Viehtransporter, ein wahres Ungeheuer mit zwei Anhängern und doppelten Ladeflächen, hatte beim Versuch, rückwärts an die Laderampe zu stoßen, eine der Anhängerkupplungen eingeklemmt.
Glücklicherweise war das Aussortieren so problemlos verlaufen, dass jetzt nur noch die Rinder, die verladen werden sollten, eingepfercht waren. Doch die Tiere waren nach der langen Warterei zu aufgeregt und durchbrachen schließlich die Absperrungen.
Lydia war die Einzige, die noch im Sattel saß, denn die meisten Männer waren mit dem Truck beschäftigt. Und als Billy plötzlich im Galopp davon schoss und anfing, die in alle Richtungen davon stürzenden Rinder einzukreisen, raubte es ihr beinah den Atem.
Rasch nahm sie sich zusammen und versuchte, sich im Sattel zu halten. Und dann geriet sie in Fahrt. Sie pfiff, riss sich den Hut vom Kopf, schwenkte ihn und gab Zeichen mit den Händen, wie sie es in den vergangenen Wochen gelernt und geübt hatte. Schließlich kamen ihr die anderen auf ihren Pferden zu Hilfe, und gemeinsam gelang es ihnen, die Rinder, die in die Freiheit flüchten wollten, wieder zusammen zu treiben.
Als alles zu Ende war und Lydia erschöpft nach Luft rang, sagte einer der Farmarbeiter zu ihr: "Das war großartig, Lydia. Ohne Sie hätten wir die Rinder verloren."
Sie klopfte Billy anerkennend auf den feuchten Nacken und ließ sich aus dem Sattel gleiten. "Danke, aber ich glaube, es war eher mein Pferd, das dieses Kunststück vollbracht hat."
Während sie seltsam unsicher auf den Beinen stand, stellte Joe sich neben sie. Er legte ihr den Arm um die Taille, sah ihr lächelnd in die Augen und flüsterte ihr zu: "Dafür könnte ich dich küssen, Lydia Kelso." Und dann tat er es auch - und alle applaudierten.
"Magst du Steaks, Eier, Chips und Salat zum Dinner?" fragte Lydia.
"Ja, warum nicht?" antwortete Joe. "Aber erst musst du mir verraten, was du denkst."
Joe hatte darauf bestanden, dass sie nach ihrer mutigen Tat in einem der Geländewagen zurück zur Farm fuhr. Um Billy wollte er sich selbst kümmern. Deshalb hatte sie den Rest des Tages damit verbracht, im Haus aufzuräumen.
Joe war erst seit wenigen Minuten zurück. Während Lydia schon geduscht und sich umgezogen hatte und frisch und sauber wirkte in der hellgrauen Hose und dem langärmligen blauen Shirt, klebte ihm das khakifarbene Hemd am Körper. Die goldblonden Härchen auf seinen Armen waren unter der Staubschicht kaum noch zu sehen.
"Ach, nichts Besonderes", erwiderte sie und lächelte freundlich. "Ic h habe nur darüber nachgedacht, dass ich das Dinner machen kann, während du duschst."
Er stand mitten in der Küche und blickte Lydia aus
zusammengekniffenen Augen an. "Verstehe ich dich richtig? Die Tür ist wieder zu?" fragte er langsam.
Lydia sah ihn verblüfft an. "Ich weiß wirklich nicht, was du meinst."
Natürlich wusste sie es genau. Sekundenlang schloss sie die Augen.
"Lydia?"
Schweigend drehte sie sich um.
"Okay, wie du willst. Nach dem Duschen muss ich noch Anrufe erledigen und Faxe verschicken. Es dauert ungefähr eine Stunde.
Danach möchte ich essen", erklärte er und verschwand.
Sprachlos vor Zorn, blickte Lydia hinter ihm her. Wie konnte er es wagen, sie so zu behandeln, als wäre sie seine Köchin?
Während sie das Essen machte, dachte sie über seine Arroganz nach.
Eigentlich hätte ich wissen
Weitere Kostenlose Bücher