Rettungslos verliebt
Und warum hatte sie sich dazu hinreißen lassen, Joe zu ohrfeigen, obwohl das nicht ihr Stil war? Aber welche Frau würde sich nicht darüber ärgern, wenn man indirekt ihre Kleidung kritisierte und behauptete, ihre Schwester habe keine Klasse? Und dann hatte Joe auch noch Brad angegriffen.
Während ihr diese und andere Gedanken durch den Kopf gingen, wurde sie allen möglichen Leuten vorgestellt. Sie tanzte, unterhielt sich, lachte und aß. In ihrem Kleid, das gerade wegen seiner Schlichtheit außergewöhnlich elegant wirkte, erhielt sie von allen Seiten Komplimente. Doch so richtig genießen konnte sie diesen Ball im Victoria River District im Northern Territory nicht, auf dem vi ele der männlichen Gäste Dinnerjackets zu Jeans, Wüstenboots und Cowboyhüten trugen. Joe Jordan sah in dem dunkelblauen Seidenhemd mit der farblich darauf abgestimmten Krawatte und in der eleganten cognacfarbenen Hose natürlich wieder ungemein gut aus.
Als Lydia sich auf einen Heuballen setzte und sich mit der Hand Luft zufächerte, entdeckte sie Meg neben sich. "Das ist nicht fair", sagte sie zu dem Hund, "du bist so lieb, aber dein Herrchen ist ein richtiger Schuft."
Meg gab ihr die Pfote, und Lydia schüttelte sie lächelnd. "Du stimmst mir sowieso nicht zu. Was hast du denn da?"
Auf dem Zettel, der am Halsband des Hunds hing, stand Lydias Name.
Sie faltete das Blatt auseinander und betrachtete den Cartoon. Ein Mann, der aussah wie Joe Jordan, schlug verzweifelt den Kopf an die Wand. Und eine Frau, offenbar sie, Lydia, in ihrem schönen Kleid, ging in die andere Richtung. Unterschrieben war das Ganze mit: "Wie kann ich dir sagen, dass es mir Leid tut? Das tut es wirklich."
Als plötzlich ein Schatten auf sie fiel, blickte sie auf. "Woher wusstest du, dass Meg es mir bringen würde?"
"Zu Meg habe ich grenzenloses Vertrauen. Sie verzeiht mir sogar dann, wenn sie es eigentlich nicht sollte und ich mich wie ein Schuft benommen habe."
Lydia erwartete, dass es in seinen braunen Augen belustigt aufblitzte.
Er blieb jedoch ganz ernst.
"Soll ich dir einen Drink holen und uns eine ruhige Ecke suchen?"
fragte er. Als Lydia zögerte, fügte er ruhig hinzu: "Es scheint zwischen uns ein Missverständnis zu geben, das ich ausräumen möchte. Ich habe nie mit Daisy geschlafen und auch nie angedeutet, dass ich es gern möchte."
"Warum hast du mir das nicht von Anfang an gesagt?" fragte Lydia wenig später.
Weil sie in der Scheune keinen ruhigen Platz gefunden hatten, saßen sie im Garten der Farm, die auch jetzt noch taghell erleuchtet war. Die Musik und das fröhliche Lachen drangen durch die kühle Nachtluft bis zu ihnen. Lydia hatte sich ihren silberfarbenen Cardigan übergezogen, und Joe hatte ihnen Kaffee mit einem Schuss Whisky gegen die Kälte gemacht.
"Warum hat Daisy es dir nicht erzählt?" antwortete er mit einer Gegenfrage.
Sie zuckte die Schultern. "Daisy redet nie offen über diese Dinge.
Aber du hattest mehr als eine Gelegenheit, es mir zu erklären."
Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und blickte hinauf zu den Sternen. "Ich glaube, ich habe auf den besten Zeitpunkt gewartet, um der Sache mehr Gewicht zu verleihen. Mindestens zwei Mal habe ich es versucht, doch beim letzten Mal hast du mich einfach unterbrochen."
"Was meinst du damit, du hättest der Sache mehr Gewicht verleihen wollen?"
"Ehe ich es dir erkläre ..." Plötzlich runzelte er die Stirn. "Ich wusste doch gar nicht, was Daisy dir erzählt hat und was nicht."
"Wahrscheinlich habe ich alles zu wörtlich genommen. Daisy hört ihre biologische Uhr ticken und scheint von der Idee wie besessen zu sein.
Sie hat Andeutungen gemacht, aus denen ich schließen musste, sie hätte mit dir geschlafen. Das hätte auch zu deinem Ruf gepasst", fügte sie etwas hilflos hinzu. "Du bist dafür bekannt, dass du dich gern mit schönen Frauen umgibst."
"Natürlich hatte ich einige feste Beziehungen, das ist völlig klar. Aber ich habe ganz bestimmt nicht mit all den Frauen geschlafen, mit denen man mich in Verbindung gebracht hat. Flüchtige Affären sind nicht mein Stil, Lydia. Ich bin nicht gewissenlos und habe einen gesunden Selbsterhaltungstrieb. Deshalb bin ich auf Daisys Vorschlag nicht eingegangen." Er zögerte kurz, ehe er fort fuhr: "Zugegeben, ich mag Daisy. Sie ist lustig und sicher eine gute Freundin."
"Aber dir ist doch bestimmt klar, dass sie mehr wollte als Freundschaft", wandte Lydia ein.
Joe seufzte und wirkte irgendwie zerknirscht.
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