Rettungslos verliebt
"Wahrscheinlich habe ich gar nicht darüber nachgedacht." Er sah sie an. "Schon längere Zeit habe ich die Situation hier auf der Farm mit Sarah und Rolf auf mich zukommen sehen, deshalb war ich oft ziemlich zerstreut und gereizt."
"Dann verrat mir doch, was du dir dabei vorgestellt hast, der Sache mehr Gewicht zu verleihen", forderte sie ihn leicht ironisch auf.
Er runzelte die Stirn. "Das ist schwierig ..."
"Wolltest du vielleicht die Wahrheit erst dann sagen, wenn es so ungefähr die einzige Möglichkeit gewesen wäre, wieder an mich heranzukommen?" fragte sie etwas zynisch.
"Ich verstehe selbst nicht, weshalb ich mich bei dir immer von meiner schlechtesten Seite zeige. Es tut mir wirklich Leid. Aber um deine Frage zu beantworten: Nein, das war nicht der Grund, obwohl man es vermuten könnte. Ich glaube, ich habe gehofft, mit diesem Eingeständnis zum richtigen Zeitpunkt deine letzten Zweifel ausräumen zu können, was uns beide betrifft. Doch wenn man zu Unrecht völlig negativ beurteilt wird, fängt man an, sich zu wehren."
Plötzlich musste Lydia lächeln. "Ich glaube dir", erwiderte sie leise und trank ihren Kaffee.
Joe richtete sich auf. "So, und wo stehen wir beide jetzt, nachdem die Sache mit Daisy endgültig erledigt ist?"
"Na ja, ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich erledigt ist, denn ich habe ihr einen Rat gegeben und befürchte, sie befolgt ihn."
"Lydia, du hast mir schon bei unserer ersten Begegnung mit allem Möglichen gedroht", antwortete er.
"Nein, das habe ich nicht!"
"Doch. Du hast behauptet, deine Schwester wolle mich sozusagen als Zuchthengst benutzen und dein Vater würde nicht zivilisiert mit mir umgehen. Was steht mir denn als Nächstes bevor?"
"Ich habe ihr ganz allgemein vorgeschlagen, sie solle mal die Unnahbare spielen, statt Männern gegenüber so wenig zurückhaltend zu sein."
"Das ist doch ein guter Rat, finde ich."
Sie blickte ihn resigniert an. "Momentan probiert sie aus, wie du darauf reagierst."
Joe fluchte leise. "Es ist eigentlich bewundernswert, wie sehr du dich für deine Schwester einsetzt, und es gefällt mir - solange du mich nicht ohrfeigst."
Lydia biss sich auf die Lippe. "Es tut mir wirklich Leid, und es passiert sehr wahrscheinlich nicht noch einmal, aber ..."
"Ja", unterbrach er sie, "ich weiß, was ich gesagt habe. Darüber reden wir noch. Erst musst du aufhören, mich für Daisys Probleme verantwortlich zu machen."
"Dafür bist du auch nicht verantwortlich", erwiderte sie nach einer langen Pause. "Aber vielleicht ist sie in dich verliebt, und das beunruhigt mich."
"Nein, Lydia, du gehst zu weit mit deinem
Verantwortungsbewusstsein für deine Schwester. Weißt du, was ich glaube? Du hast ganz einfach Angst vor deinen Gefühlen, stimmt's?"
"Da haben wir es wieder." Lydia stellte den Becher ins Gras und stand auf. "Spar dir weitere Beleidigungen, ich höre sowieso nicht mehr zu.
Gute Nacht."
Er sprang auf und atmete tief ein. Dann ballte er die Hände zu Fäusten. Doch schließlich entspannte er sich wieder, während Lydia wie gebannt dastand. Mit einer so heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet.
"Es liegt mir fern, dich zu beleidigen", antwortete er leise. "Aber seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe, bin ich seelisch nicht mehr im Gleichgewicht. Damit kann ich offenbar nicht umgehen. Und deshalb benehme ich mich dir gegenüber so ungeschickt."
"O Joe", erwiderte sie sanft, und es war kaum mehr als ein Atemhauch. Behutsam legte sie ihm die Finger auf die Wange.
Sekundenlang stand er reglos da. Schließlich nahm er ihre Hand von seiner Wange und küsste ihre Handfläche. Dabei sah er Lydia in die Augen. Plötzlich glaubte sie, in der unergründlichen Tiefe seiner braunen Augen zu ertrinken. Und dann wurde auf einmal ihre Sehnsucht übermächtig, von diesem Mann, der immer wieder für eine Überraschung gut war, umarmt, gewärmt und liebkost zu werden.
Alles um sie her schien sich aufzulösen, und Lydia wünschte sich, Joes Kraft, seine Stärke und seinen Körper an ihrem zu spüren. Sie wollte in seinen Armen liegen und von ihm geküsst werden.
Er überstürzte nichts, sondern vergewisserte sich, dass sie mit allem, was er tat, einverstanden war. Als er ihr den Cardigan über die Schultern streifte, ließ er die Finger so sinnlich über ihre Arme gleiten, dass Lydia erbebte.
Dann löste er ihr Haar, und sie schüttelte den Kopf, bis es ihr in einer wilden Mähne über die Schultern fiel.
Er küsste sie auf die geschlossenen Augen,
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