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Return Man: Roman (German Edition)

Return Man: Roman (German Edition)

Titel: Return Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.M. Zito
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wurde, desto schneller wurde er; schließlich tauchten die Knie aus dem Wasser auf, und er erreichte das Ufer mit einem deutlichen Vorsprung vor den Leichen, die noch immer in der Tiefe zappelten. Er hatte sie vom Ufer weggelockt, und nun musste er nur noch um den See herumlaufen und die Kleider und die Glock holen und…
    …und da kam das Gesindel von Osten.
    Sie strömten auf ganzer Länge des Seeufers aus dem Wald und versuchten, ihm den Fluchtweg zwischen den Ferienhäusern und dem Wald abzuschneiden. Mehr als die fünfzig, von denen er ausgegangen war. Hundert, vielleicht auch mehr. Vielleicht auch deutlich mehr, verdammt noch mal.
    Da der Angriff plötzlich von zwei Seiten gleichzeitig erfolgte, blieb er stolpernd stehen. Die Armee der Leichen spürte seine Gegenwart– sie drehten ihm alle auf einmal das Gesicht zu; so perfekt synchronisiert, dass er sich fragte, ob die verdammten Dinger auf eine ihm unbekannte Art und Weise zu kommunizieren vermochten.
    Wir haben dich umzingelt.
    Er hatte keine Chance mehr, den Wald zu erreichen.
    Gib es auf.
    Als Junge war er immer derjenige gewesen, der beim Blinde-Kuh-Spielen in Panik geriet. Er blieb mitten in der Verfolgungsjagd stehen und ließ sich fangen; einfach nur deshalb, weil die Erlösung der Gefangennahme ein besseres Gefühl war als der Schrecken der Jagd. Und dieses Gefühl verspürte er jetzt wieder. Er bekam weiche Knie, und für einen Moment spielte er tatsächlich mit dem Gedanken, sich einfach in den feuchten Sand zu setzen. Wie ein buddhistischer Mönch im Schneidersitz dort zu hocken, schicksalergeben und transzendent, während sein Bewusstsein mit dem klaren blauen Himmel, dem frischen Wasser und den saftigen grünen Bäumen am anderen Ufer verschmolz. Er hätte noch einen letzten Blick riskiert, die Augen geschlossen und auf ein schmerzloses Ende gewartet.
    Aber er wusste, dass es doch schmerzhaft sein würde.
    Sehr sogar.
    Also zwang er sich, auf den Beinen zu bleiben, öffnete die Augen noch weiter und suchte nach einem Ausweg. Ein Ausweg, gottverdammt, wiederholte er wie eine Beschwörung des Lebens. Zur Linken wurden die Ferienhäuser von einer Mauer aus Leichen abgeschnitten, die ihn förmlich niederzuwalzen drohte; ganz weit rechts befand sich das alte Dock. Die windschiefe und baufällige Anlage schob sich wie eine sinnlose Sackgasse in den See hinaus. Aber das beschädigte Kanu daneben…
    Zum zweiten Mal an diesem Tag dachte er über das Kanu nach.
    Und diesmal hatte er eine Idee.
    Keuchend rannte er am Ufer zurück, auf dem schmalen Streifen des Niemandslands zwischen den beiden Horden der Untoten– denen, die aus den Wäldern torkelten, und denen, die ihn vom Wasser her verfolgten.
    Die Gelegenheit wäre in ein paar Sekunden schon wieder vorbei– die Leichen kamen schnell näher. Er konzentrierte sich auf das Kanu vor sich, doch die toten Gesichter am Rand seines Blickfelds konnte er unmöglich ignorieren. Die dunklen, wilden Gesichter sahen ihn mit gefletschten Zähnen an, während er an ihnen vorbeirannte.
    Die letzten Meter zum Dock legte er im Sprint zurück. Er hatte Angst vor der eigenen Courage angesichts des Risikos, das er einging.
    Seine Gedanken überschlugen sich.
    Ich muss verrückt geworden sein. Das wird doch nie im Leben funktionieren …
    1 . 6
    Das Kanu war schon vor langer Zeit umgedreht und parallel zum Dock auf den Strand gelegt worden– wie eine auf den Kopf gestellte längliche Holzschüssel. Das Boot lag leicht schräg im Sand und lud Marco geradezu ein, darunter Zuflucht zu suchen. Aus vollem Lauf machte er einen Hechtsprung. Durch den harten Aufprall wurde ihm die Luft aus der Lunge gepresst, und mit einem Grunzen schob er sich unter das umgekippte Boot, als ob er in einen engen Höhleneingang eindrang. Er schrammte mit den Ellbogen über Kieselsteine und sein Bauchnabel füllte sich mit feuchtem Sand.
    Die Luft hier in diesem düsteren Bunker roch nach Moder und tranigem Fisch, und unsichtbare Spinnweben verfingen sich im Gesicht und an den Armen. Sonnenlicht drang durch das klaffende Loch im Boden des Kanus. Er kam sich vor wie ein kleines Tier, das sich in seinem Bau zusammenkauerte. Er legte die Wange in den Sand und lugte durch den Spalt, durch den er sich gequetscht hatte, auf den Strand. Dutzende grotesker Füße, nackt und purpurfarben angeschwollen, schlurften auf das Kanu zu.
    So weit, so gut.
    Schwitzend rammte er das Messer ein paar Zentimeter von seinem Gesicht entfernt in den hölzernen

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