Return Man: Roman (German Edition)
Kugel des Soldaten ihn gestreift hatte; die Haut war an den zerfetzten Wundrändern rot und schwarz– verbrannt und blutig zugleich. Er sollte sich besser säubern, sagte Marco sich. Bei den ganzen Leichensäften, die über Wus Gesicht und Arme verteilt waren, bestand durchaus die Gefahr, dass er sich durch die Schussverletzung infizierte.
Er hat es aber auch verdient, dachte Marco– und errötete dann.
Niemand hat so etwas verdient.
Also setzten die Männer ihre stumme Fahrt auf der Route 111 fort und nahmen Kurs auf die Berge, die in der Ferne verschwommen aufragten. Irgendwann stieß Wu einen Ruf aus, der das Motorengeräusch übertönte. Marco zuckte auf seinem Sitz zusammen.
» Da runter!« Er hieb Marco auf den Rücken und deutete auf eine verwunschen wirkende Tankstelle, die hundert Meter vor ihnen auf der rechten Seite aufgetaucht war. Die Fenster waren dunkel, und hohes Gras wucherte im rissigen Asphalt zwischen den Tanksäulen. Neben der Straße verkündete ein rotes Schild mit fehlenden Buchstaben und Zahlen längst nicht mehr aktuelle Spritpreise.
In jeder Hinsicht irrelevant.
Marco hatte eigentlich keine Lust anzuhalten, doch Wu hatte recht. Sie mussten sich erst einmal sammeln und überlegen, wie zum Teufel sie weiter vorgehen sollten. Er nahm die Kurve schärfer als nötig– damit wollte er sich bei Wu revanchieren, weil der ihn ständig herumkommandierte–, und das Quad fuhr aufs Tankstellengelände.
Es kam zwischen vier ramponierten alten Zapfsäulen zum Stehen– zwei zur linken, zwei zur rechten. Er umklammerte noch immer den Gasgriff; er würde Vollgas geben, sobald irgendein toter Freak in einem verdammten Tankwart-Overall um die Ecke gerannt kam.
Doch nichts geschah. Sie wurden nicht aus dem Hinterhalt überfallen. Marco stellte den Motor ab und sondierte das Terrain– wieder eine Geisterstadt mit ein paar Einwohnern und einer verödeten Hauptstraße mit Billigläden, die in der Wüste allmählich zerfielen. Eine schmuddelige mexikanische Cantina, deren Ziegelsteinmauer hellblau angestrichen war, stand wenig einladend auf der anderen Straßenseite. Marco beäugte sie argwöhnisch. Er hatte sich an diesem Tag schon mit genügend Betrunkenen herumärgern müssen. An die Cantina schlossen sich ein Pfandleihhaus mit heruntergelassenen Sicherheitsgittern und ein Kautionsbüro an, das auf einem zerrissenen Banner über der zersplitterten Glastür einen 24/7-Super-Service versprach.
Auf der anderen Straßenseite befand sich hinter einem Wellblechzaun ein großer Platz– ein Schrottplatz, der mit großen rostigen Rohren und unidentifizierbaren, kompliziert aussehenden landwirtschaftlichen Geräten angefüllt war, deren Funktion sich Marco nicht erschloss. Weiter nördlich sah man Telefonmasten und vereinzelte Palmen. Einen Straßenzug weiter entdeckte er eine Honda-Vertretung mit Autos, die wie stählernes Vieh eingezäunt waren; bunte Bänder hingen schlaff an einem hohen Fahnenmast, an dem die Flagge fehlte. Die Bänder kräuselten sich in der Brise. Das war die einzige Bewegung, soweit er zu sehen vermochte.
» Tanken Sie voll«, wies Wu ihn an und rutschte vom Quad herunter. » Ich werde mal drinnen nachsehen.«
» Drinnen? Wozu denn?«
Wu sah ihn herablassend an. » Man hat auf mich geschossen, Doktor. Sollte ich Ihrer qualifizierten ärztlichen Meinung nach vielleicht nach einem Heftpflaster suchen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, humpelte er zu dem Minimarkt, der an die Tankstelle angeschlossen war. » Mein Rucksack war im Zug, als der Führerstand explodierte«, sagte er über die Schulter. » Mein GPS ist weg. Ich werde auch nach einer Landkarte suchen.«
Er verschwand im Gebäude und ließ Marco allein draußen stehen.
Arschloch.
Marco versuchte, Benzin zu zapfen. Weil die Tankstelle aber keinen Reservegenerator hatte, war es unmöglich, Druck in der Leitung aufzubauen. Seit der Auferstehung hatte er mehr über die Funktionsweise von Zapfsäulen gelernt als jeder andere mit einem medizinischen Abschluss. Doch heute half ihm das auch nicht weiter. Die Speichertanks waren versiegelt, und selbst die Leitung war trocken, als er die Schläuche durchschnitt– nichts außer einem Schwall von Benzindämpfen, bei denen ihm schummrig im Kopf wurde. Er warf den abgetrennten Füllstutzen frustriert auf den Boden und zuckte beim lauten Scheppern zusammen.
Meine Güte. Läute doch gleich die Kirchenglocken, du Arschloch.
Die Benzinpumpe war noch eine altmodische Ausführung mit einem
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