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Return Man: Roman (German Edition)

Return Man: Roman (German Edition)

Titel: Return Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.M. Zito
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mittlerweile zum verwundeten Soldaten zurückgekehrt und kniete nun neben dem Mann.
    » Was tun Sie da?«, fragte Marco misstrauisch. Die Leichen hatten den Parkplatz schon zur Hälfte überquert und kamen ihnen gefährlich nah.
    Ohne ihm zu antworten, packte Wu den Mann am Arm und zerrte daran. Der Soldat schrie auf, als sein freiliegender, gebrochener Oberschenkel über den Erdboden schleifte. Da war ein verrostetes quadratisches Gitter im Erdboden– ein Gullydeckel.
    Die Handschellen blitzten in Wus Hand.
    » Einen Moment…«, sagte Marco, den plötzlich ein böser Verdacht beschlich.
    Doch zu spät. Wu hatte den Mann schon an einer Hand gefesselt.
    Den anderen Ring befestigte er am Gitterrost.
    » Nein!«, rief der Soldat mit zusammengebissenen Zähnen. Wu bückte sich und sagte dem Mann etwas ins Ohr– so leise, dass Marco es nicht zu hören vermochte. Marco wurde blass; seine Poren weiteten sich, der Schweiß brach ihm aus und kühlte ihn wie der Hauch des Todes. » Wu!«, schrie er. » Das können wir nicht machen!«
    Mit einem ebenso trotzigen wie zornigen Blick warf Wu den Schlüssel in ein Gestrüpp hinter einem Stapel ausgebleichter orangefarbener Leitkegel. Marco drehte sich der Magen um.
    Anscheinend konnten sie das doch machen.
    Wu kletterte auf das Quad und setzte sich rückwärts in eine kleine Mulde hinter dem Sitz, die eigentlich für Vorräte und Ausrüstungsgegenstände vorgesehen war. Seine Beine baumelten über die Hinterradabdeckung. Furchtlos schaute er die Leichen an, die aus drei Metern Entfernung auf ihn zuschlurften.
    » Los«, sagte er. Ein knapper, emotionsloser Befehl.
    Nein, sagte Marco sich. Der rechte Daumen lag auf dem Gasgriff, und seine Gedanken überschlugen sich. Das Stöhnen der Leichen drang bereits aus großer, allzu großer Nähe an seine Ohren…
    In wenigen Augenblicken würde er spüren, wie tote, steife Finger ihn an den Haaren rissen und vom Quad zerrten, während er laut schreiend mit den Beinen zappelte…
    Ich kann nicht fahren. Ich kann nicht …
    » Los!«, brüllte Wu, als ein verwester, dicker Barkeeper in einer kotzbraunen Schürze sich auf ihn stürzte– und das riss Marco aus seiner Starre. Er hatte keine Zeit mehr, sich mit Wu zu streiten, keine Zeit für Rettungsaktionen, keine Zeit, um irgendetwas zu tun– außer das Schicksal des bärtigen Soldaten zu akzeptieren; frustriert schrie er » Scheiße!« und schob den Gasgriff bis zum Anschlag vor, sodass der Motor gequält aufjaulte.
    Das Quad raste an dem todgeweihten Mann vorbei.
    Einen kurzen Moment lang erinnerte Marco sich daran, wie er gestern in Maricopa unter dem Lkw eingeklemmt gewesen war und schon mit dem Leben abgeschlossen hatte. Dann spürte er, wie eine Bewusstseinsänderung mit ihm vorging, und er konnte plötzlich mit den Augen des feindlichen Soldaten sehen– diese letzten Sekunden im Leben des Mannes, wie das Quad ihn im Stich ließ und er mit den Händen an einen improvisierten Futtertrog für ein gieriges Rudel Kannibalen gekettet war. Er war ihnen hilflos ausgeliefert und würde gleich einen qualvollen Tod sterben. Marco schüttelte diese Gedanken ab, bevor er noch von ihnen überwältigt wurde.
    Zum Glück befand er sich nicht in dieser Situation. Dieses Mal nicht.
    » Bitte!«, flehte der Soldat von weit hinten, während seine Stimme mit zunehmender Entfernung immer leiser wurde.
    Die Toten fielen über ihn her, und eine halbe Sekunde lang herrschte Stille.
    Eine schreckliche, nervenzerreißende Stille.
    Und dann wurde der Morgen von einem geradezu unmenschlichen Laut durchschnitten. Es war ein schrilles Kreischen, in dem alle Verdammnis und Qualen dieser Welt mitschwangen. Es schmerzte Marco nicht nur in den Ohren, sondern irgendwie am ganzen Körper. Ein Übelkeit erregender Schrei, der anhielt und anhielt…
    Fahr weiter. Dreh dich nicht um.
    …und anhielt und anhielt…
    Sieh nicht hin.
    …als wollte er nie mehr verstummen.
    Scheiße. Marco bremste und drehte sich auf dem Sitz um. Die Leichen schälten den Mann regelrecht. Sie brachen ihn wie einen Hirsch auf, weideten ihn aus und saugten ihn aus– graue Finger stachen in die Augenhöhlen, die Nasenlöcher und in den kreischenden Mund, rissen die Wangen auf, während andere sich an Armen und Beinen zu schaffen machten… sie rissen ihm Fetzen von Muskelsträngen und Eingeweide heraus, die sich dehnten wie rosafarbener Gummi, und Marco sah noch, wie der tote Barkeeper an dem hervorstehenden gebrochenen Knochen nagte,

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