Return Man: Roman (German Edition)
eingehen. Monsterschädel– der Name war förmlich in Marcos Kopf gemeißelt– und die Reiter würden auf den Highways patrouillieren. Und es würde dort noch mehr Geisterstaus geben, hatte er Wu erklärt. Und haufenweise Leichen.
Wu war einverstanden gewesen und hatte nicht einmal einen Blick auf die Karten werfen wollen, sondern nur kräftig genickt. » Gut. Fahren wir los.«
Und obwohl Marco sich das nur höchst ungern eingestand, fühlte er sich bestätigt– als ob er irgendwie auf Wus Zustimmung angewiesen wäre. Toll, sagte er sich schaudernd. Der eiskalte Killer mag mich.
Marco holte tief Luft. Bei dieser Geschwindigkeit würden sie Hemet in etwa zwei Stunden erreichen. Ein Teil von ihm wünschte sich, es würde noch vier dauern. Oder acht. Oder hätte es nicht noch bis morgen Zeit?
Beim Hineinfahren nach Palm Desert raste plötzlich sein Puls. Diese Stadt hatte mehr Einwohner gehabt als die Orte, durch die sie bisher gekommen waren. Die Straße führte durch ein Viertel mit dichter Bebauung aus Ziegelsteingebäuden, eine Einkaufsmeile mit Geschäften aller Art, die nun verlassen dalag, geradezu verwunschen wirkte und die Straße wie eine bedrohliche Front säumte. Gott allein mochte wissen, wie viele Leichen hinter dunklen Glastüren und Ladentheken lauerten und nur auf eine Gelegenheit warteten. Doch die Stadt schien ruhig. Der nächste Straßenzug bildete eine unheimliche, düstere Kulisse aus rußgeschwärzten Grundmauern und verkohltem Holz– das Stadtgebiet war auf einer Fläche von über einem Hektar verwüstet. Ein gewaltiger Feuersturm musste hier getobt haben. Es schwebten noch immer Ruß- und Aschepartikel in der Luft, die wie winzige Nadeln in Marcos Nase stachen. Langsam fuhr er mit dem Quad an einer ausgebrannten Postfiliale vorbei. Rußverschmierte Paketfahrzeuge dekorierten den Parkplatz.
Falls es hier irgendwo Leichen gab, sah Marco sie jedenfalls nicht.
Das machte ihn immer nervös– wenn man sie nicht sah, waren sie am gefährlichsten.
Vielleicht empfand Wu das Gleiche. » Geben Sie Gas«, rief er und hielt sich am Quad fest. » Wir sind jetzt weit genug von der Hauptstraße entfernt– auf das Motorengeräusch kommt es nicht mehr an.«
» Die Reiter werden es vielleicht nicht hören«, erwiderte Marco, » aber ich würde nur ungern jede Leiche im Umkreis von fünf Kilometer aufwecken. Wenn sie uns kommen hören, werden sie eine Straßensperre für uns errichten.«
Trotzdem gab er Gas, und als das Quad losschoss, entspannte er sich sogar etwas. Eine kühle Brise fächelte ihm über die Stirn und trocknete den Schweiß, der ihm vor lauter Nervosität ausgebrochen war. Vor ihnen erhob sich ein hellbrauner Gebirgszug. Er bog wieder links ab und richtete den Blick nach oben.
Sein Herzschlag stockte.
Die Rasenflächen und Hecken der geschlossenen Wohnanlagen, die früher akkurat gepflegt wurden, waren nun völlig verwahrlost– das Gras war zu Stroh geworden, und die Hecken waren zu formlosen, vertrockneten Haufen gewuchert. Die Straßen waren mit Leichen übersät. Ein Hispano stand mit einer Heckenschere im Nacken unter einer Palme. Ein verwahrloster Teenager mit einem schwarzen Oakland-Riders -Trikot saß im Schneidersitz an einer Mauer, und ein barfüßiger Mann mit freiem Oberkörper und einer blutigen Anzughose ging den Gehweg entlang. Marco fuhr ohne Schwierigkeiten an ihnen vorbei und sah dann vor sich eine weitere Leiche.
Widerlich.
Auf dem Gehweg lag eine fette, nackte Frau in einer obszönen Pose auf dem Bauch, ohne dem Quad Aufmerksamkeit zu schenken. Die Augen waren auf den Boden direkt unter ihrer gebrochenen Nase gerichtet. Die Leiche holte schwarze Ameisen aus einem Spalt im Beton, stopfte sie sich ins Maul und knabberte sie wie Popcorn– und zugleich marschierten Ameisen in Kolonnen über den wabbelnden nackten Arsch und zwickten mit ihren Beißwerkzeugen winzige Stückchen davon ab, um ihre Kolonie mit Nahrung zu versorgen.
Die tote Frau schien das nicht zu kümmern. Es war ein faires Geschäft. Nahrung gegen Nahrung. Sie würden diesen Tauschhandel so lange betreiben, bis eine Seite nichts mehr besaß.
Marco schauderte und gab noch einmal Gas, bevor die Leichen ihnen gefährlich nahe kommen konnten. Das Quad verließ schnell dieses Viertel.
» Was macht die Schulter?«, rief er Wu zu.
» Alles klar«, erwiderte Wu so schnell, dass Marco wusste, er musste höllische Schmerzen haben. » Alles klar« bedeutete: » Ich will nicht darüber nachdenken, also
Weitere Kostenlose Bücher