Return Man: Roman (German Edition)
und die Haut spannte sich, als wäre dort ein zusätzliches Knochenstück eingesetzt worden.
Marco schüttelte sich und duckte sich noch tiefer, um sich so klein wie möglich zu machen. Er spürte, dass der neben ihm kauernde Wu angespannt war und den Atem anhielt. Neben der Zapfsäule, nur notdürftig vor Blicken von der Straße geschützt, stand ihr gestohlenes Quad. Es wirkte geradezu riesig, schien sich auf das Doppelte der normalen Größe aufgebläht zu haben.
Scheiße. Sie werden es sehen, sie werden es sehen …
Doch die fünf Quads rasten in südlicher Richtung an der Tankstelle vorbei.
Wu stieß den Atem aus. Wahre Sturzbäche von Schweiß hatten saubere Furchen über seine schmutzige Stirn gezogen. » Da haben wir noch mal Glück gehabt«, sagte er. » Sie sind zum Zug unterwegs, um sich mit ihrem Kameraden zu treffen. Ich bezweifle, dass sie schon wissen, dass er tot ist. Und wenn wir noch mehr Glück haben, werden sie auch in einen Hinterhalt dieser Leichen geraten. Das würde unsere Chancen verbessern.«
» Ich habe eine Neuigkeit für Sie«, sagte Marco. Er hatte noch immer ein flaues Gefühl im Magen. » Unsere Chancen stehen beschissen. Haben Sie ihn gesehen? Diesen Typen mit dem bizarren Kopf?«
» Ja, allerdings«, antwortete Wu. » Der Rottenführer der Reiter.«
» Jetzt sagen Sie mir bitte nicht, dass wir den zum Gegner haben. Er ist Furcht einflößend.«
Wu sparte sich eine Antwort. Er stand auf und überprüfte noch einmal die Beweglichkeit seines Arms. Er hob ihn so hoch, wie die verletzte Schulter es erlaubte– bis zu einem Winkel von fünfundvierzig Grad. Er grunzte, biss sich auf die Lippe, setzte sich wieder rückwärts aufs Quad und stellte die Füße auf die hintere Stoßstange.
» Sie fahren«, sagte er. » Bevor Ihr Freund Monsterschädel zurückkommt.«
» Nett. Monsterschädel. Danke, dass Sie meinem Albtraum einen Namen gegeben haben.« Marco steckte die Karte von Hemet in seine Gesäßtasche. » Alles klar. Packen wir’s an.«
Auf geht’s. Vergiss die Reiter .
Dem eigentlichen Albtraum entgegen. Der Friedhof in Hemet.
Eine Stippvisite.
Er hatte plötzlich das Gefühl, seine Brust würde eingeschnürt.
Vielleicht kommst du ja auch zu Besuch, Delle?
9 . 3
Die Route 111, die nach Norden aus Salton herausführte, war trostlos und deprimierend: eine zweispurige Straße, von noch öderen Nebenstraßen gekreuzt, die in der wie ausgestorben daliegenden Wüste verschwanden. Marco fuhr mit einer Geschwindigkeit, bei der das Motorengeräusch des Quads noch einigermaßen gedämpft war. Er hielt sich ganz rechts auf der Fahrbahnbankette und wäre sofort abgebogen, falls wieder ein Reiter -Konvoi vor ihnen auftauchte. Es war eine anstrengende Fahrt. Sein Kiefer schmerzte, und er war so erschöpft, dass er sich unwillkürlich gegen Wu lehnte. Die beiden Männer saßen Rücken an Rücken: Marco war der Fahrer und Wu der Beobachter– für den Fall, dass die Reiter umgekehrt waren, nachdem sie ihren toten Kameraden beim Zug entdeckt hatten.
Oder das, was von dem Mann noch übrig war– was nicht mehr viel gewesen sein dürfte.
Marco konzentrierte sich aufs Fahren und ignorierte nach besten Kräften die sporadischen Leichen, die verkrümmt auf den gelben Fahrbahnmarkierungen des Highways lagen. Klumpen aus vertrockneter Haut und ausgebleichten, von Geiern angenagten Knochen. Wie überfahrene Tiere, dachte er deprimiert.
In den Außenbezirken der Stadt wurde er dann langsamer und steuerte vorsichtig durch ein Chaos aus kollidierten Fahrzeugen– acht oder zehn–, deren verrostete Türen offen standen. Sie waren überstürzt verlassen worden. Als das Quad an einem roten Ford-Pick-up vorbeirollte, sprang plötzlich eine Leiche mit aufgeblähtem Bauch und einem Cowboyhut auf der Ladefläche auf. Die Wangen waren mit pulsierenden Blasen übersät– Fliegen hatten Eier unter der Gesichtshaut gelegt, aus denen dann Maden geschlüpft waren. Die Leiche schwankte und streckte die Arme aus, als ob man ihr die Hand reichen sollte, damit sie vom Fahrzeug heruntersteigen konnte. Ja, das hättest du wohl gern. Marco betätigte den Gasgriff und raste über die Kreuzung. Die Leiche grunzte und setzte sich wieder auf die Ladefläche.
Nach acht Kilometern erschien ein blaues Hinweisschild für die Interstate 10, doch Marco bog nach links ab. Der Plan sah vor, dass sie vorerst noch auf der 111 blieben. Auf der Interstate würden sie irgendwann auffallen und nur ein unnötiges Risiko
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