Return Man: Roman (German Edition)
steif und eiskalt. Sie drehte sich um, und er verstand. Er wurde sozusagen an die Hand genommen. Gemeinsam stiegen sie ins Reich des Schlafes hinab, und sie bettete ihn dort…
Und dann schlief er erschöpft ein, vielleicht zum letzten Mal in seinem Leben – losgelöst von der Kälte der Nacht, dem harten Holzboden und dem Stöhnen der Verdammten, und Gott sei Dank hatte er keine Albträume.
Er schlief.
Die Nacht verging.
In der Dämmerung schreckte er aus dem Schlaf, und das Herz schlug ihm bis zum Hals…
Er hörte ein beunruhigendes Rattern.
Wu war schon auf und suchte die Ausrüstung zusammen. Er versetzte Marco einen derben Tritt.
» Reiter!«, rief Wu. Seine Stimme klang schrill wie eine ferne Sirene und wurde von den ohrenbetäubenden Schüssen und dem Brüllen der sich nähernden Quads beinahe übertönt. Dann stieg er die Leiter hinunter.
10 . 5
Das Gefängnisgelände glich einem Hexenkessel– hundert tote Häftlinge in orangefarbenen Overalls wankten mit verzerrten roten Lippen und kalkweißen Wangen wie Clowns, die aus einem Albtraum entsprungen waren, über das ausgedörrte Feld. Die Luft vibrierte förmlich, als drei Reiter -Quads in einer todesmutigen Aktion mit schwarzen Abgaswolken und brüllenden Motoren im Zickzack durch die Menge rasten und auf die Zombies schossen. Die kühnen motorisierten Kavalleristen mähten die Leichen zur Linken, zur Rechten und vor sich nieder. Ein Häftling mit einem langen, dünnen Pferdeschwanz schlug einen Salto wie ein Akrobat, als eine Kugel in sein verrottetes Gehirn eindrang.
Dann haben die Reiter also überlebt, dachte Wu. Nicht dass ihn das überrascht hätte.
Zumindest ein paar waren durchgekommen. Zwei standardmäßige » Eber«-Quads und das Zweimann-Quad mit dem Geschützturm. Der riesige Kommandant Monsterschädel hatte überlebt… Sein muskulöser Körper ragte hinter der Browning auf, und mit einem spöttischen Gesichtsausdruck ballerte er wie ein Wahnsinniger in der Gegend herum. Blut spritzte aus den Köpfen der Toten, und sie gingen reihenweise zu Boden. Die Quads zogen kreisrunde Furchen in den Schmutz, wenn die Räder blockierten, die Fahrzeuge sich fast auf der Stelle drehten und in entgegengesetzter Richtung weiterfuhren. Leichen strömten in Wellen aus den Zellenblöcken, um die Gefallenen zu ersetzen– sie wankten durch den eingerissenen Zaun, wälzten sich über den Hof, das schmutzige Schlachtfeld und die Straße zwischen den Gebäuden. Mehr Leichen, als Wu jemals auf einmal gesehen hatte.
Seine Fingerspitze berührte den Starterknopf des MTVR .
Und er wartete.
In seinem Leben hatte er schon oft Schlachtfelder mit zahlenmäßig überlegenen Feinden überblickt. Kein einziges Mal hatte er gezögert anzugreifen. Kein einziges Mal hatte er daran gezweifelt, dass er gewinnen würde.
Doch diesmal …
Er verspürte einen Stich im Herz und eine plötzliche Sehnsucht nach seinem Onkel Bao Zhi– ein Gefühl, das er seit Jahren nicht mehr empfunden hatte. Zugleich erinnerte er sich an sich selbst als acht Jahre alter Junge. Wie er in Qinghai im Schneidersitz auf dem Boden gesessen und die Schuhe bewundert hatte, die Bao Zhi für ihn angefertigt hatte. Auf jeden kleinen Schuh war mit orangefarbenem Garn ein Tiger gestickt worden, um böse Geister zu verscheuchen.
Bao Zhi hatte gewusst, wie man mit den Toten umgehen musste.
Bao Zhis Hand würde nun nicht zittern…
Bum! Ein Schuss riss Wu unsanft aus seinen Gedanken.
» Beeilung«, rief er knurrend die Leiter hinauf. Was machte der Amerikaner da oben?
Die Reiter rasten am Lkw vorbei; sie hatten Wu noch nicht auf dem Fahrersitz gesehen, doch das war nur eine Frage der Zeit.
Er sah ihnen mit grimmigem Respekt nach, als sie verschwanden. Diese Milizionäre waren zähe Burschen, und er… er war viel zu blauäugig gewesen. Der Angriff der Leichen auf dem Highway hatte den Vormarsch des Feindes lediglich verlangsamt. Sie waren wahrscheinlich umgekehrt und hatten die Berge umfahren. Ja, er hatte sich schon gedacht, dass sie nicht aufgeben würden– aber dieser Überfall kam nun doch unerwartet. Das war eine aggressive Strategie im Zwielicht vor der Morgendämmerung. Er stellte sich vor, wie sie sich letzte Nacht vorsichtig mit den Quads genähert und vor der Gefängnismauer campiert hatten. Wie sie mit unglaublicher Geduld in der Kälte ausgeharrt und die Minuten bis zum Tagesanbruch gezählt hatten. Und dann hatten sie zugeschlagen. Wie eine Katze, die Mäuse fängt.
Mit grimmigem
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