Return Man: Roman (German Edition)
war wirklich eine gewaltige Anlage– sie glich einer riesigen Lagerhalle mit unzähligen Zellen, die sich über weit mehr als hundert Meter erstreckten, bis sie in einem dunklen Vakuum verschwanden, das auch das Licht verschluckte. Echos hallten aus diesen Tiefen wider und warfen das Trampeln der Stiefel auf dem harten, gefliesten Boden zurück. Marco blieb neben Wu stehen, und die beiden Männer verharrten an der Schwelle zur Dunkelheit und peilten die Lage.
» Sehen Sie etwas?«, fragte er Wu.
» Genauso viel wie Sie.«
Draußen ebbten die gedämpften Geräusche der Schüsse ab und verstummten dann ganz.
» Vielleicht haben die Leichen sie gefressen«, mutmaßte Marco.
» Das bezweifle ich. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass die Reiter den Hof gesäubert haben. Sie werden uns jetzt folgen.«
» In welche Richtung sollen wir weitergehen?« Marco blinzelte und ließ schnell den Blick durch den Block schweifen. Trübes Licht fiel durch die mit Stahlstäben vergitterten Fenster im Dach hoch über ihnen. Staub schwebte in den Lichtstrahlen, und irgendwo hörte er Flügelschläge von Vögeln, die in dem Gewirr aus Stahlstreben nisteten. Es lag ein widerwärtiger Gestank in der Luft– als wären Erbrochenes und Dung vermischt worden. Im Erdgeschoss sah er keine Zellen, doch links und rechts von ihm waren schmale Aufgänge, die zu drei Etagen mit Zellen hinaufführten. Hier und da hing ein skelettierter Arm über eine Brüstung. Der Boden vor ihnen war mit einzelnen Knochen übersät, die Nagespuren aufwiesen. Etwa drei Meter von Marco entfernt lag die verstümmelte Leiche eines Gefängniswärters– Tischabfälle von einer Fressorgie. Man hatte dem armen Teufel die Beine abgerissen; das Rückgrat ragte schätzungsweise dreißig Zentimeter über den Nacken hinaus, sodass er wie ein grausiger menschlicher Lolli aussah.
Marco erinnerte sich an das Video, das Osbourne ihm gezeigt hatte. War das etwa derselbe Ort? Derselbe Wachposten, der im Film aufgefressen wurde? Vielleicht, vielleicht auch nicht; wahrscheinlich glichen die Blöcke sich wie ein Ei dem anderen. Falls es sich aber um dasselbe Gebäude handelte, dann wäre Roger– Marco ließ den Blick über die Laufstege schweifen– über dieses Geländer gestürzt und genau… ungefähr… dort gelandet.
Er sah zu Boden und wünschte sich beinahe, dass Roger sich bei dem Sturz das Genick gebrochen hätte. Das wäre ein leichterer Tod gewesen. Dann hätte er nicht ins Labor fliehen müssen, hätte keine geheime E-Mail senden müssen, und überhaupt wäre dieser ganze Scheiß dann nicht nötig gewesen.
Das plötzliche laute Grollen eines Quad-Motors holte ihn in die Wirklichkeit zurück.
» Sie sind hier drinnen«, sagte Wu. Seine Stimme hallte in der ganzen Halle wider… und das Echo brachte noch ein anderes Geräusch mit sich.
Ein Stöhnen.
Und das langsame Schlurfen von Füßen.
Marco brach der kalte Schweiß aus. Am anderen Ende gerieten die Schatten in Wallung, und er sah entsetzt, wie Arme und Beine und phantomartige weiße Gesichter sich aus der Dunkelheit schälten– sie quollen in Trauben aus den schwarzen Gefilden des Gefängnisses wie eine monströse Armee auf einem Nachtmarsch. Es waren Hunderte, soweit Marco es zu sehen vermochte.
Und noch Hunderte mehr, die er nicht sah.
» Scheiße, Wu. Sie haben sie aufgeweckt.« Hinter sich hörte er das Quad durch die leere Halle rasen. » Kommen Sie, wir gehen eine Etage höher!«
Er rannte an Wu vorbei, wandte sich nach rechts und lief zu einer Wendeltreppe aus Metall. Dann hetzte er in den ersten Stock hinauf. Bei jedem Schritt schossen ihm Gedankenfetzen durch den Kopf…
Die Reiter können nicht hochfahren, die Treppen sind zu schmal.
Achte auf Leichen in den Zellen.
Oh Gott.
…und während er weiterlief, kehrte auch sein Denkvermögen zurück. Auf dem Satellitenbild hatte die Krankenstation sich auf der anderen Seite dieses Blocks befunden. Also… die obere Galerie würde dorthin führen oder zumindest in die Nähe. Von dort würden sie schon den richtigen Weg finden. Dessen war er sich sicher. Das heißt, ziemlich sicher.
Nun ja, vielleicht doch nicht so sicher.
Am oberen Treppenabsatz blieb er stehen und zog seine Pistole. Er kontrollierte das Magazin. Es war voll mit fünfzehn Schuss. Im Wachturm hatte er sich die erstbeste Waffe geschnappt– das verdammte Schrotgewehr hatte er nicht mehr gefunden– und sie ins Holster gesteckt, während die Reiter die Plattform unter Beschuss
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