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Return Man: Roman (German Edition)

Return Man: Roman (German Edition)

Titel: Return Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.M. Zito
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Ballard– noch immer der gleiche Mensch, doch zugleich auch ein völlig anderer– auf wundersame Art und Weise einen Sprung durch die Zeit gemacht und war von seinem tristen Büro in eine triste Gefängniszelle verschlagen worden, aus der er Marco schon wieder erwartungsvoll ansah.
    Mit einem dürren Finger schob er seine kleine Brille etwas höher auf die Nase und erhob sich dann.
    » Ich bin froh, dass du meine E-Mail erhalten hast, Henry«, sagte er. » Es ist schließlich schon einige Zeit her, nicht wahr? Ich war mir nicht sicher, ob du überhaupt kommen würdest.«
    Diese Bemerkung erwischte Marco auf dem falschen Fuß– Scheiße, nicht dass er auf irgendetwas vorbereitet gewesen wäre, was Roger vielleicht gesagt hätte–, und ihm fiel die Kinnlade herunter. Er starrte ihn an und suchte krampfhaft nach Worten. In seinem Kopf drehte es sich wie eine Roulettescheibe, und er hatte das Gefühl, auf der imaginären Kugel zu reiten und alle unberechenbaren Sprünge und wilden Hüpfer mitzumachen. Ohne zu wissen, auf welchem Feld sie schließlich landen und welche Emotionen sie hervorrufen würde: Zorn oder Erleichterung, Trauer oder Hass oder vielleicht sogar Entsetzen.
    Das Rad wurde langsamer. Die Kugel fiel.
    Landete auf » Verwirrung«.
    » Roger«, sagte er mit einem Krächzen. » Roger, alle glauben, dass du tot bist.«
    Ballards schiefe Oberlippe– die Kerbe über der Oberlippe befand sich bei ihm nicht genau in der Mitte, sondern seitlich versetzt, sodass er immer spöttisch zu grinsen schien– zuckte. » Nein, nein«, sagte er. » Ich habe die ganze Zeit gearbeitet. Ich habe auch große Fortschritte gemacht.«
    Er machte eine ausladende Geste, als wollte er den Raum präsentieren. Er hatte einen stählernen Labortisch in die kleine Zelle geschleift und in die Ecke gestellt, sodass sie nun gewissermaßen möbliert war. Notizbücher stapelten sich auf dem Tisch. Die Seiten waren durch die Feuchtigkeit aufgequollen und verzerrt. Eine rote Kerze brannte daneben.
    » Roger«, sagte Marco nachdrücklich. » Hör mir zu…«
    » Ich sagte doch, dass ich die ganze Zeit gearbeitet habe«, unterbrach Ballard ihn verärgert. » Ich will es dir zeigen.« Mit einem leicht unbeholfenen Gang ging er zum Tisch hinüber. Marco senkte den Blick und zuckte zusammen. Ballards linker Fuß war seitlich abgeknickt– so stark, dass er beim Gehen fast mit dem Knöchel über den Boden schleifte. Er hatte sich den Fuß gebrochen, und der Bruch war so schlecht verheilt, dass er nun einen Klumpfuß hatte.
    Durch den Sprung, dachte Marco. Er musste ihn gar nicht erst fragen. Von der Galerie.
    » Sie sind von der Armee«, stellte Ballard fest, als er Wu schließlich erblickte. Der Sergeant stand hinter Marco und ließ den Blick zwischen den beiden Ärzten schweifen.
    » Ja.« Wu warf Marco einen warnenden Blick zu. Seine Unterarmmuskeln spannten sich an, und das Messer in seiner Hand bewegte sich, als ob er mit Problemen rechnete. » Sergeant Ken Wu.«
    » Du hast die Armee mitgebracht, Henry?«
    » Er ist einfach mitgekommen.«
    » Weiß Osbourne Bescheid?«
    Marco zögerte, als er die plötzliche Besorgnis in Ballards Gesicht sah. » Ja…«, sagte er vorsichtig. Er hatte irgendwie Angst, Roger aufzuregen– obwohl ihm das doch völlig egal sein konnte.
    Doch Ballard presste nur für einen Moment die Lippen zusammen und seufzte dann. » Nun ja. Vielleicht hätte ich von vornherein damit rechnen sollen. Ich freue mich trotzdem, dass du gekommen bist, Henry. Wo du nun hier bist, wird sich alles fügen. Aber diese anderen Männer am Kontrollpunkt– sind sie nicht mitgekommen?«
    » Nein.«
    Ballard nickte zufrieden. Er blies die Kerze aus und nahm das oberste Notizbuch vom durchnässten Stapel. Dann zwängte er sich zwischen Marco und Wu hindurch auf den Korridor. Er verströmte einen leichten Geruch nach Krankenhausseife mit einem gefälligen Jasminduft. Doch der Gestank gewann schnell wieder die Oberhand.
    » Ich habe wirklich Fortschritte gemacht, Henry«, sagte Ballard. » Du wirst schon sehen– ich werde es dir zeigen…«
    Er verstummte, orientierte sich nach links und verschwand um die nächste Biegung des Korridors. Marco blinzelte ein paarmal. Ihm war schwindlig, als hätte er einen Schwips, und er fragte sich in einer Anwandlung von Irrationalität, ob er die ganze Begegnung mit Ballard nur halluziniert hätte.
    Doch ein Blick in Wus kalte grüne Augen ernüchterte ihn wieder.
    » Was sollen wir jetzt machen?«, fragte

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