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Return Man: Roman (German Edition)

Return Man: Roman (German Edition)

Titel: Return Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.M. Zito
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hatte nur noch Gedanken für den nächsten Vertrag, das nächste Leben, an dem er teilhaben würde. Für die nächste Leiche, die er zurückgeben würde.
    Doch vielleicht bestand sein Problem auch nur darin, dass der Termin für den nächsten Auftrag erst in einem Vierteljahr war. Bevor er nach Montana aufgebrochen war, hatte er Benjamin gesagt, er müsse einmal richtig ausspannen. Benjamin war sein Geschäftspartner in den Sicheren Staaten und zugleich sein ehemaliger Schwager.
    Fürs Erste keinen neuen Auftrag mehr, hatte Marco gesagt. Ich bin müde, Ben.
    Obwohl Benjamin sich zunächst sträubte– Marco war an und für sich kein neugieriger Typ, aber hin und wieder fragte er sich schon, welche finanziellen Verpflichtungen Ben in den Sicheren Staaten wohl hatte–, war er dann doch einverstanden. Keine neuen Verträge. Der Laden war also von Oktober bis einschließlich Dezember geschlossen und würde erst im Januar wieder geöffnet. Ben schloss dann den nächsten Kontrakt für eine Leiche namens Thomas Flynn, einen sechsundzwanzig Jahre alten Holzfäller, der zuletzt irgendwo in einem Gebiet mit einer Ausdehnung von einer Million Quadratkilometern in den feuchten Wäldern von Oregon gesichtet worden war.
    Na toll, sagte Marco zu Ben. Um diese Zeit muss der Schnee dort fast zweieinhalb Meter hoch liegen. Soll das etwa eine Retourkutsche sein?
    Was für eine Frage, antwortete Ben. Außerdem wirst du nach dem Urlaub doch wieder fit und erholt sein.
    Doch die eigentliche Frage lautete– auch wenn Ben dem entgangenen Geschäft noch so sehr nachtrauerte–, welche Wahl hätte er gehabt? Marco war schließlich sein einziger Mitarbeiter– derjenige, der seinen Arsch in einer Notzone voller Zombies riskierte. Wenn er eine Pause brauchte, gottverdammt, dann sollte er sie auch bekommen.
    Das Talent. So hätte Danielle ihn bezeichnet. Man muss das Talent bei Laune halten.
    Er zuckte zusammen. Manchmal ertappte er sich dabei, dass er wie ein Bühnenautor Zeilen für sie verfasste, und dann hörte er wirklich ihre Stimme, wie sie in seinem Kopf vorsprach. Ihre laszive, sinnliche Altstimme, begleitet von entsprechenden Mundbewegungen, dieser drollige, verschmitzte Blick, wenn sie ihn neckte, und ihr Atem auf seiner Wange– diese Beschwörung ihrer körperlichen Präsenz war schmerzhaft für ihn.
    Er hatte sich in letzter Zeit zu oft an sie erinnert. Es ging ihm besser, wenn sie eine Abstraktion blieb, ein amorpher Nebel mit einem Namen.
    Er hustete, und dann war sie wieder verschwunden. Vom Dach kommend kurvte eine braune Fledermaus im Tiefflug über den Balkon und schnappte sich noch einen letzten Käfer, ehe sie den Heimflug in die Berge antrat. Die Morgendämmerung war unspektakulär hereingebrochen– ohne die Bonbonfarben, auf die er sich schon gefreut hatte. Stattdessen wurde das Licht nur allmählich stärker und enthüllte im Osten einen wolkenlosen Himmel. Die Details des Balkons gewannen an Kontur, und er sah dort die Reste seines letzten Abendessens– vom Vorabend des Tages, an dem er sich nach Montana aufgemacht hatte, um Roark zu suchen.
    Er war an jenem Abend in einer düsteren Stimmung gewesen wie ein Soldat, der am nächsten Tag in den Einsatz geschickt wurde. Eine Weinflasche lag in der Asche des aus Lehmziegeln gemauerten Kamins; auf der Bank war sein Weinglas umgekippt und von einem eingetrockneten roten Fleck umgeben. Er hatte es voll dort stehen lassen. Es musste einem Eichhörnchen zu einem schönen Schwips verholfen haben.
    In seinen verstopften Gehörgängen knackte es, als er herzhaft gähnte. Er beugte sich über das Balkongeländer. Mit einem Finger drückte er gegen die Nase und blies den Rotz erst aus dem einen, dann aus dem anderen Nasenloch auf den Hof unter dem Balkon. Eine Angewohnheit, die er als Bergläufer in Arizona entwickelt hatte. Das war zwar höchst unkultiviert, aber es gab jetzt niemanden mehr außer ihm selbst, der daran Anstoß nehmen konnte.
    Noch schlimmer, er hatte seit Wochen schon nicht mehr geduscht. Und wann hatte er sich eigentlich zum letzten Mal den Hintern abgewischt?
    Irritiert durch diese Überlegungen ging er wieder ins Haus. Er wollte endlich die Sicherheitsüberprüfung des Anwesens durchführen. Er schloss die Balkontür und hatte den Raum schon fast zur Hälfte durchquert, als er sich wieder an den Ehering in der Tasche erinnerte. Er holte ihn heraus und ging zum Schreibtisch zurück. Aus der seitlichen Schublade holte er einen Schnellhefter mit dem Etikett »

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