Return Man: Roman (German Edition)
nachts versuchte er schweißgebadet, in der stickigen Hitze des Dachgeschosses zu schlafen, und redete sich dabei ständig ein, dass das Anwesen nicht sicher sei.
Doch dann besserten die Dinge sich allmählich. Wenn er morgens nach draußen ging, verspürte er immer öfter ein Gefühl der Zufriedenheit. Der Ruhe. Der Kontrolle– der erste Anflug dieses Gefühls nach einer langen, langen Zeit.
Die Barrikade überragte ihn. Sie war zu hoch, als dass die Wesen sie zu erklimmen vermochten, aber immer noch niedrig genug, um darüber hinwegsehen zu können, wenn er auf der Veranda des Hauses stand. Auf ganzer Länge ermöglichte sie ihm die Beobachtung der Wüste und der verlassenen Häuser im Gold Canyon unterhalb des Anwesens.
Er erinnerte sich an eine von Danielles Freundinnen, diese mit Perlenketten behangene Hippiebraut Janis, die oben in Sedona lebte und aus Schrott Skulpturen anfertigte. Wenn Janis das nur sehen könnte– seine Barrikade mit diesen fantasievollen Applikationen. Die chaotische, aber dennoch planvolle Anordnung, der krasse Kontrast von erdfarbenem Rost und bunten Kunststoffen. Eine solche künstlerische Leistung hatte er noch nie im Leben vollbracht. Alles, was es jetzt noch brauchte, war ein Name. Materialismus als Verteidigungs-mechanismus.
Schon mal nicht schlecht. Oder wie wär’s mit Schrott – zur Kunstform erhoben.
Genau. Diese zweite Version war besser.
Er ging nun die Barrikade ab und suchte sorgfältig nach Breschen. Im Hinterhof hörte er, wie der Generator im Schuppen tuckerte. Er war durch die Zeitschaltung aktiviert worden, die er zwecks Benzineinsparung installiert hatte. Dann hielt er inne und bewunderte die Superstitions im Norden, den blauen Himmel, an dem sich weder Wolken noch Geier zeigten. Er hatte es schon lange aufgegeben, nach Militärflugzeugen oder Hubschraubern Ausschau zu halten; in jenem ersten Sommer war er schon beim ersten entfernten Geräusch eines Triebwerks zurück ins Haus gerannt, doch die Luftwaffe hatte die Überflüge vor drei Jahren eingestellt. Wegen des Mangels an Flugbenzin befand sich die Luftwaffe mittlerweile zum größten Teil am Boden. Zumal es auch keine Überlebenden mehr gab, die man hätte retten können.
Als er sich davon überzeugt hatte, dass der Hinterhof sicher war, setzte er den Rundgang zur anderen Seite des Hauses fort und ging dabei hinter der leeren Betongrube des ehemaligen Swimmingpools vorbei. In der hinteren Ecke des Anwesens war Danielles sogenannter Garten– nichts, was sie selbst angepflanzt hätte, sondern nur ein abgetrennter Bereich mit Wildblumen. Gelbe Nachtkerzen und purpurfarbene Bachblüten wuchsen dort ohne jede Pflege. Sie hatten ihm schon deshalb immer gefallen, weil sie auch gediehen, wenn er sie total vernachlässigte.
Und er blieb stehen, als er um die Ecke bog.
Irgendetwas hatte die Falle ausgelöst.
Etwa sechs Meter entfernt wurde die weiße Signalflagge, die an der Stelle hing, wo die Fiberglasstange mit der Schlinge sich über die Barrikade bog, von einem unsichtbaren Gewicht auf der anderen Seite heruntergezogen. Die Stange bewegte sich nicht. Was auch immer in der Schlinge gefangen war, leistete kaum Widerstand.
Marco holte tief Luft, legte den Baseballschläger ab und griff zur Glock. Er hielt sie in der schwitzigen rechten Hand.
Schon wieder ein Kojote. Oder ein Puma.
Mein Gott. Wollte er, dass sie es war, oder nicht?
In der Nähe der Stelle, wo die Schlingenstange in den Boden gerammt war, stand eine verschlissene Holzleiter. Er lehnte sie gegen die Barrikade und hielt noch einmal inne. Kein Laut von der anderen Seite. Er packte die Stange und zog daran. Sie schwankte zuerst in seine Richtung und dann wieder in die andere– ein natürliches Biegeverhalten, ohne äußere Krafteinwirkung. Trotzdem bog das Ende sich noch immer zum Erdboden auf der anderen Seite der Mauer, und die Leine war gespannt. Da war auf jeden Fall etwas. Er erklomm die ersten paar Sprossen, wobei ihm unter den Achselhöhlen und in der Leistengegend der kalte Schweiß ausbrach.
Er hielt die Luft an und streckte den Kopf über den Rand der Barrikade.
Danielle …
…war nicht dort und lächelte ihn auch nicht mit verwestem Gesicht und schwarzen, verkrusteten Lippen an, wie es in seinen schrecklichen Albträumen geschah.
Er lachte kurz, allerdings nicht fröhlich, und atmete geräuschvoll aus.
Am Ende der Leine hing ein Arm. Ein behaarter Männerarm, der direkt über dem Ellbogen vom Körper abgerissen worden war.
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