Return Man: Roman (German Edition)
Fliegen umschwärmten das frische Fleisch und den Gelenkknochen. Der Kaninchenkadaver, den Marco als Köder ausgelegt hatte, war verschwunden. Die Drahtschlinge hatte ins Handgelenk eingeschnitten und einen purpurfarbenen, aber unblutigen Striemen verursacht– je fester man an der Schlinge zerrte, desto enger zog sie sich zu–, und Marco vermutete, dass die Leiche so lange daran gerissen hatte, bis sie unter Verlust eines Körperteils entkommen war.
Er sah sich um. Wohin auch immer das Ding verschwunden war, er sah keine Spur mehr von ihm.
Er legte die Glock auf die Mauerkrone, um beide Hände freizuhaben, und zog sich hinauf. Er lag bereits mit dem Unterleib auf der Barrikade, als er nach der Leine griff; sein Körper war mit ungünstigem Schwerpunkt ausgestreckt. Sofort erkannte er diesen Fehler– fast schon eine Vorahnung, wieder dieser » Zombie-Sinn«–, und er hakte reflexartig den Fuß unter die rostige Metallstange eines alten roten Stoppschilds, das aus der Patchwork-Barrikade ragte…
…sonst wäre er von der Barrikade gefallen, als die Leiche plötzlich aus der Deckung der Mauer auftauchte und ihn angriff.
Die Kreatur hatte sich im toten Winkel am Fuß der Mauer versteckt, wo Marco sie nicht sehen konnte– ja, er hätte auch diese Stelle kontrollieren müssen, doch diesmal hatte er das gottverdammt nicht getan, denn er war abgelenkt und erschöpft, krank an Körper und Seele. Nur so konnte es geschehen, dass das Ding ihn mit einem Zischen ansprang, als er sich über die Mauer beugte. Mit rauen Fingern umklammerte es sein Handgelenk und zerrte ihn fast einen halben Meter weit über die Mauer. Er stieß einen überraschten Schrei aus, hörte, wie die Jeans am Beton scheuerte, und spürte den Schmerz, als er sich den Fußknöchel unter dem Stoppschild verrenkte. Mit der freien Hand schlug er gegen die Wand und tastete nach der Glock.
Er konnte sie aber nicht finden. Konnte sich auch nicht umdrehen, um nach ihr zu suchen.
Er schrie und fluchte und sein Gesicht brannte vor Frustration.
Die Leiche verstärkte den Griff um sein Handgelenk. Und zog unablässig daran.
2 . 4
Marco lag mit der Hüfte auf der Barrikade und sah nach unten in die Augen einer männlichen Leiche mit struppigen grauen Augenbrauen und schwach ausgeprägtem Kinn. Die Augen waren auf eine widerwärtige Weise blutunterlaufen, und der klaffende Mund hatte keine Zunge mehr– doch dafür waren die Zähne noch alle vorhanden, die die Leiche nun fletschte und mit denen sie aus kurzer Distanz nach Marco schnappte.
Dort, wo sich einmal der linke Arm befunden hatte, war nur noch ein zerfetzter Stumpf zu sehen. Aber das kümmerte die Leiche nicht. Mit der verbliebenen Hand zerrte sie wild an Marco, hängte sich mit ihrem ganzen Gewicht an ihn, und Marco sah schreckerfüllt, wie sein Unterarm langsam, aber stetig auf die schnappenden Zähne zugezogen wurde. Ein Biss wäre fatal; die Auferstehung wurde nämlich über große Wunden übertragen. Ein Kratzer würde einen vielleicht nicht umbringen – würden die Zähne jedoch in die Unterhautschicht geschlagen, in die Schicht, wo die Blutgefäße verliefen und der Lebenssaft strömte … wenn das geschah, dann war man erledigt.
Großer Gott – das Ding war stark. Ein Griff wie eine Handschelle.
Kalte Finger. Unlösbar.
Marco versuchte es dennoch und zog den Arm hoch, als würde er mit Hanteln trainieren. Die Nackenmuskulatur spannte sich an, und der Bizeps bebte. Er griff mit der freien Hand zur Unterstützung nach dem Ellbogen und geriet immer mehr aus dem Gleichgewicht. Verzweifelt krümmte er den Rücken zu einem Buckel, um möglichst weit oben zu bleiben; er befürchtete, das Ding könnte einen Satz machen und ihm ins Gesicht beißen.
Die Armmuskeln waren bis zum Reißen gespannt. Er kämpfte die aufsteigende Panik nieder und verspürte den schier unwiderstehlichen Drang, die Muskulatur zu entspannen. Nur dass ihm dann der Arm abgerissen würde– also krümmte er sich und versuchte, die gesamte Körperkraft im Handgelenk zu konzentrieren.
Der Arm wurde weiter heruntergezogen. Immer weiter.
Die Leiche stemmte die Füße in den Wüstenboden und grunzte wie ein Eber. Brauner Speichel aus dem verrotteten Maul des Dings benetzte Marcos Hand. Marco kniff die Augen zu und konzentrierte sich. Er glitt immer weiter nach vorn und verlor Zentimeter für Zentimeter an den toten Mann, der an ihm zog.
Hinter Marco war das Stoppschild aus der Barrikade gerutscht– nun hatte er diesen Halt
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