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Return Man: Roman (German Edition)

Return Man: Roman (German Edition)

Titel: Return Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.M. Zito
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das Fenster. Dann zog sie sich zurück und schlug wieder dagegen.
    » Halte durch!«, rief Marco. Er wickelte sich das T-Shirt um die Hand und griff nach der glutheißen Fahrertür. Der Türgriff ließ sich mühelos bewegen, doch die Tür selbst gab nur ein kleines Stück nach. Durch den Unfall hatten die Türen sich verzogen und ließen sich nicht mehr öffnen. Im dichten Rauch auf der anderen Seite des Fensters zeichnete sich nun ein pulsierendes rotes Glühen ab. Die Sitze hatten Feuer gefangen. Der Mann presste die Hand noch fester gegen die Scheibe. Durch den Qualm erkannte Marco ein entsetztes Gesicht– ein kahlköpfiger schwarzer Mann, der mit schmerzerfüllt geöffnetem Mund um sich schlug.
    Marcos Gedanken überschlugen sich. Wenn er die Glock hätte, könnte er die Scheibe mit einem Schuss zertrümmern.
    Oder mit einem Radmutternschlüssel. Er hatte einen irgendwo im Jeep; er müsste aber erst danach suchen.
    Oder er könnte die Fäuste einsetzen. Oder…
    Die Stiefel. Seine schweren Stiefel der Größe 45. Damit konnte man etwas ausrichten– er hatte in den letzten Jahren schließlich schon genug Leichenschädel eingetreten.
    Er ging auf die Knie, kroch unter den Motorraum des Lkw und drehte sich auf den Rücken. Dann zog er die Beine an und zielte auf die Frontscheibe, die sowieso schon einen Riss hatte. Die Motorhaube hing bedrohlich über ihm; sie klaffte ein Stück weit auf und zischte zornig– aus dem gerissenen Kühler entwich heißer Dampf. Und es stank überall nach Benzin, eine unsichtbare Zeituhr, die unerbittlich ablief.
    Der Tank wird jeden Moment explodieren.
    Dann geht der ganze Lkw in einem Feuerball hoch. Und ich mit.
    Er trat so fest zu, wie er konnte. Der Schmerz in den Schienbeinen strahlte bis in die Knie aus, aber die Glasscheibe hielt. Er trat noch einmal zu. Diesmal wölbte die Frontscheibe sich nach innen, und es bildete sich ein Dutzend Risse; aber sie zersplitterte immer noch nicht. Salziger Schweiß lief ihm in die Augen, als er ein drittes Mal zutrat. Endlich gab das Glas nach, und der linke Stiefel brach ins Führerhaus.
    Er spürte, wie der eingeschlossene Mann seinen Fuß packte und abrutschte.
    » Halte durch!«, rief Marco. » Gleich bist du frei!«
    Er trat mit beiden Beinen heftig nach, bis das Loch breit genug war: eine gezackte, etwa sechzig Zentimeter breite Öffnung, durch die schwarzer Rauch drang. Die Rauchwolke hüllte Marco ein. Er versuchte, die Rauchschwaden mit den Händen zu teilen, und rang nach Luft; wie zum Teufel konnte der Mann da drin überhaupt atmen ?
    Kräftige Hände schlossen sich um seine Fußknöchel. Und zogen. Marco rutschte fast einen halben Meter durch die zerbrochene Frontscheibe ins Fahrzeug hinein.
    » Hey!«, rief er überrascht.
    Der im Rauch verborgene, in Panik geratene Mann zog wieder an ihm.
    » Warte…«, sagte Marco, während er ruckartig ins Fahrzeug gezogen wurde und bis zur Hüfte im Loch verschwand. Er spürte, wie seine Baumwollhose sich bauschte und Flammen an den Waden züngelten…
    …und kalte Hände seine Schienbeine umklammerten.
    Schlagartig aktivierte die vertraute, schockartige Berührung kalter, toter Haut die Nerven in Marcos Beinen, raste als elektrischer Impuls das Rückgrat hinauf und löste schieres Entsetzen aus.
    » Verflucht«, stieß er hervor.
    Das war kein Mensch im Lkw– sondern eine beschissene Leiche.
    Schüttle sie ab! Alle Sehnen in den Beinen spannten sich gleichzeitig, und er trat wild und verzweifelt blindlings um sich. Sein Unterleib war bereits im schwarzen Rauchsturm hinter der Frontscheibe verschwunden; er konnte die Füße nicht mehr sehen und wusste auch nicht, ob er schon in Reichweite der Zähne des toten Mannes war. Er spürte, wie sein Schienbein gegen einen harten Knochen schlug, vielleicht den Kiefer oder die Stirn der Leiche, und stieß einen Schreckensschrei aus. Eine Millisekunde lang war er sich sicher, dass er gebissen worden war. Und dann schlang sich ein muskulöser Arm um sein Knie, und die Leiche zog ihn noch einmal ungefähr zwanzig Zentimeter tiefer in den Rauch hinein.
    Die Hitze war schier unerträglich. Flammen züngelten schrecklich pfeifend aus der grün lackierten Motorhaube, nicht einmal einen halben Meter über seinem Gesicht. In wenigen Sekunden würde er entweder verbrennen oder bei lebendigem Leib aufgefressen.
    Entschlossen stützte er sich mit den Händen auf der Frontscheibe ab und winkelte die Arme an, um zu verhindern, dass er noch weiter ins Innere

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