Return Man: Roman (German Edition)
riechendes Gas, das ihr aus der Lunge gepresst wurde, während sie Marco auf den Asphalt drückte. Marco würgte und richtete den Blick wieder auf die Seitenstraße.
Die vier anderen Leichen hatten ihn fast schon erreicht. Sie waren nicht einmal mehr zehn Meter entfernt. Drei männliche Leichen in zerrissenen Mechanikeroveralls und eine weibliche– nein, die Leiche mit dem langen schwarzen Haar war auch männlich, ein nackter Maricopa mit einer Haut wie graues Leder und purpurnen Striemen auf dem Bauch. Sie knurrte Marco an.
Nun waren sie noch sechs Meter entfernt.
Immer näher.
Marco bäumte sich auf, zappelte mit den Beinen, versuchte, den Arm zu befreien und die Leiche von sich herunterzurollen. Vergeblich– das Ding war einfach viel zu stark, und er war auch nicht imstande, den Kopf noch viel länger festzuhalten. Marcos Daumen zitterte und wurde zurückgebogen. Er verspürte einen stechenden Schmerz im Handgelenk.
Gleich wird er brechen, dachte er.
Fetzen toter Haut lösten sich von Armen und Brust der brennenden Leiche und stoben wie Ascheflocken an Marcos Gesicht vorbei. Die Flammen wüteten über ihm und um ihn herum; er schmeckte Salz und Benzin auf der Zunge, und seine Ohren wurden vom Brüllen des Feuers, dem Zischen des zerstörten Motors und dem Grunzen des Monsters auf ihm malträtiert. Das alles stürmte auf ihn ein. Einen Moment lang befürchtete er, von diesem Chaos überwältigt zu werden, und er drohte im Rauch und im Angesicht des Todes in Ohnmacht zu fallen. Dann blinzelte er– und blinzelte noch einmal. Seine Wahrnehmung klärte sich wieder.
» Das war’s dann wohl«, stieß er hervor.
Er schaute auf und sah, dass die anderen Leichen nun angekommen waren. Sie krochen unter der Haube des umgekippten Lkw auf ihn zu. Bösartige, blutverkrustete Fratzen, aus denen schwarzer, zähflüssiger Geifer lief.
Noch vor fünf Minuten hatte er sich in der Sicherheit des Jeeps befunden und an Danielle gedacht. Nun verspürte er wieder ein Brennen in den Augen, und er unterdrückte die Tränen. Tut mir leid, Delle. So hatte er sie immer genannt. Sie hatten immer Witze darüber gemacht: Er hatte nie Zeit, ihren Namen vollständig auszusprechen. Deshalb musste er auf eine Silbe verkürzt werden. Und dann hatte er schon wieder den nächsten Termin, musste weiter zum nächsten Patienten. Tut mir leid, Delle. Schade, dass ich dich nicht gefunden habe.
Aber er hatte zu wenig Zeit für sie gehabt. Wieder einmal.
Mit der Luft, die er noch in der Lunge hatte, stieß er einen Schrei der Frustration aus. Doch der wurde gleich zu einem Keuchen erstickt, als die brennende Leiche ihn am Hals packte und die vier anderen toten Männer sich über ihn beugten. Er wünschte sich, der Tank des Lkw möge jetzt explodieren und dem ganzen Elend ein Ende bereiten…
…und dann änderte ein lautes dumpfes Geräusch alles.
Es geschah so schnell, dass er eine Weile brauchte, um die Situation zu erfassen. Er hatte sich schon mit der ersten Berührung kalter, toter Finger abgefunden, mit dem qualvollen Schmerz, wenn ihm das Fleisch aus dem Körper gerissen wurde, als plötzlich die vier Leichen, die ihn von allen Seiten bedrängten, aufs Straßenpflaster flogen. Sie lagen mit dem Gesicht nach unten da und zuckten, als hätte man ihnen eins mit einer Keule übergezogen– und zwar allen gleichzeitig. Meine Güte, der Lkw war explodiert– nein, nicht explodiert, sondern auf die Leichen gestürzt; nein, nicht der ganze Lkw, nur die Motorhaube, wie er schließlich erkannte. Die schwere Haube war aufgegangen und heruntergeklappt, hatte die Leichen am Hinterkopf getroffen und niedergestreckt. Nur die brennende Leiche auf Marco war so dicht am Boden, dass sie nicht getroffen worden war. Ungerührt schnappte sie nach seiner Schulter. Marco krümmte sich, sodass der Biss ins Leere ging, und konnte kaum fassen, dass er überhaupt noch am Leben war.
Die versengte grüne Metallhaube hing nicht einmal einen halben Meter über seinem Kopf.
Und dann wurde sie wieder angehoben.
Und ordnungsgemäß verriegelt.
Das gibt’s doch gar nicht! Marco reckte den Hals und versuchte, hinter sich zu schauen.
Die um ihn herumliegenden Leichen rappelten sich wieder auf. Sie waren zwar benommen, aber noch lange nicht erledigt.
Am Rand von Marcos Blickfeld dräute eine Gestalt. Noch eine Leiche hatte sich unter den Lkw geduckt. Aber sie wirkte irgendwie anders. Geschmeidig und leichtfüßig. Sie hüpfte zwischen den niedergestreckten toten
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