Return Man: Roman (German Edition)
Männern umher. Dann beugte sie sich über Marco, und er zuckte zurück. Aber die Hände griffen nicht nach ihm. Stattdessen machten sie sich am Soldaten zu schaffen und zogen sich gleich wieder zurück– aber erst, nachdem sie ein weißes Nylonseil am Fußknöchel der Leiche befestigt hatten.
Und dann ein noch größerer Schock…
…eine Stimme, die nahe an Marcos Ohr ertönte.
» Halten Sie durch«, sagte sie. Ein knappes Kommando, das irgendwie eigenartig klang.
» Ich kann nicht…«, sagte Marco.
Zu spät. Der Schmerz in der Hand wurde unerträglich; er keuchte und verlor die Kontrolle. Der Daumen rutschte aus der Augenhöhle des toten Mannes, und die befreite Leiche schnappte nach seinem Hals…
…doch dann wurde sie zurückgerissen, und die Zähne bissen in die Luft. Marco sah, wie die Leine hinter der Leiche sich bis zum Rand seines Blickfelds straffte. Sie zog die Leiche mit sich. Der riesige tote Mann versuchte, dem Zug entgegenzuwirken, und schnappte nach Marcos Brust, Hüften und Beinen, ohne ihn zu erwischen. Doch im letzten Moment streckte er eine starke Hand aus und packte Marcos Stiefel.
Ach du Scheiße, dachte Marco und begab sich auf eine unfreiwillige Rutschpartie.
Zusammen wurden sie unter dem Lkw hervorgezogen, und Marco musste sich winden wie ein Aal, um einer brennenden Öllache auszuweichen, während er und die Leiche über die Straße schlitterten. Er durchlief ein Wechselbad aus Furcht, Erleichterung und Adrenalinstößen. Und Verwirrung. Mit den Augen folgte er dem Verlauf der Leine: In einer Entfernung von fünfzehn Metern schlang sie sich um einen Telegrafenmast, und– bei allen Teufeln der Hölle– da war ein Mensch, mehr Traumgestalt als real, ein schlanker kleiner Mann, der zum Lkw zurücklief. Er hatte sich das Seil um die Schulter geschlungen und zog mit diesem improvisierten Flaschenzug die große Leiche, die doppelt so schwer war wie er.
Schließlich befand der Mann sich wieder auf gleicher Höhe mit Marco. Er war ein Asiat, noch jung, Mitte dreißig. Bekleidet war er mit einer Militäruniform, die um die Schultern und am Oberkörper mit Blut getränkt war. Er nickte Marco zu, doch es lag nichts Freundliches in der Geste; sein Blick war hart und ernst. Er hatte ein automatisches Gewehr umgehängt.
Marco wollte einen Gedanken aussprechen– benutze doch die Waffe! –, doch bevor er ihn zu äußern vermochte, heulte die Leiche auf und schlug nach dem vorbeigehenden Mann. Dabei ließ sie Marco los. Doch der Mann sprang leichtfüßig über die um sich schlagende Leiche hinweg, ging weiter die Straße entlang und zog die Leine nach.
Marco rollte sich zweimal herum und blieb dann keuchend und mit aufgeschürften Schultern auf dem Bauch liegen. Die Leiche wurde weiter weggezerrt, wobei sie wie ein Fisch auf dem Trockenen zappelte und der Straßenbelag ihr verwestes Fleisch wie eine Käsereibe abschürfte. Dann prallte sie gegen den Telegrafenmast, um den das Seil gewickelt war, und an dem lauten Knacken hörte Marco sogar aus der Ferne, dass das Knie des toten Mannes ausgerenkt worden war– das Bein hatte sich am Mast eingehakt, und die Zehen wurden gegen den Oberschenkel gepresst. Die verstümmelte, brennende Leiche wand sich mit lautem Brüllen.
Marco starrte fasziniert dorthin. Dann packte eine Hand seine Schulter.
» Aufstehen«, sagte der Asiat, der nun wieder neben ihm stand. » Da kommen noch mehr.«
Die vier bewusstlosen Leichen waren wieder zu sich gekommen und krochen unter dem Lkw hervor.
» Ich– ich sehe sie«, stotterte Marco. Seine Kehle war heiser von der Grippe, dem giftigen Qualm und dem Würgegriff, in dem die Leiche des Soldaten ihn gehalten hatte. Mühsam kam er wieder auf die Füße.
» Nein«, sagte der Mann. » Nicht die.« Er schlug Marco zweimal fest auf den Rücken und deutete auf das Eisenbahndepot mit der silbernen Kuppel. » Die.«
Dutzende verdreckter Leichen strömten durch die Türen des Bahnhofs und schwärmten über den Parkplatz aus.
» Ach«, sagte Marco. » Die.«
5 . 5
Wu war nicht sonderlich beeindruckt von Henry Marco– jedenfalls nicht von dem Henry Marco, der halb betäubt hier vor dem Bahnhof von Maricopa stand. Er war nur noch ein Schatten des Mannes, den Wu auf Fotos gesehen hatte. Das nachrichtendienstliche Dossier des MSS hatte auch persönliche Daten beinhaltet, die im defekten Hauptrechner des St. Joseph Medical Center gehackt worden waren. Die Farbfotos, die vor der Auferstehung aufgenommen worden waren,
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