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Return Man: Roman (German Edition)

Return Man: Roman (German Edition)

Titel: Return Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.M. Zito
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leicht gelesen hatte. Aber jetzt war nicht die Zeit, sein verletztes Ego zu pflegen, denn die Leichen umringten den Jeep und drückten von beiden Seiten dagegen, sodass er hin und her schaukelte. Das Fenster auf der Beifahrerseite stand ein paar Zentimeter offen, und nun schoben sich graue Finger durch den Spalt.
    » Fahren Sie schon los«, sagte Wu ungehalten. » Sonst kommen sie noch rein.«
    Marco quittierte die Aufforderung mit einem heftigen Tritt aufs Gaspedal, und der Motor des Jeeps heulte auf, bis die Reifen schließlich auf dem Asphalt griffen. Mit einem Ruck sprang der Wagen von der Bordsteinkante, schleuderte ein paar Leichen zur Seite und überrollte ein paar andere; der Fahrkartenverkäufer verschwand unter dem Fahrzeug, und Wu hörte das laute Knacken von Knochen, als der Jeep Fahrt aufnahm. Er löste sich mühelos aus der Menge und fuhr schlingernd die Straße entlang, während Marco das Lenkrad mit den verletzten Händen zu halten versuchte. Wu betrachtete ihn neugierig. Der Amerikaner schaute mit schmerzverzerrtem Gesicht stur geradeaus.
    Plötzlich ertönte ein Donnerhall, ein Blitz zuckte über sein Gesicht, und der Jeep wurde durchgeschüttelt.
    Der Tank des umgestürzten Lkw war explodiert– ein dunkelroter Feuerball stieg wie ein Pilz vom Chassis auf und fegte über die Straße. Die Leichen in unmittelbarer Nähe verschwanden sofort in der Wolke; andere wurden durch die starke Druckwelle vornübergeschleudert. Und im nächsten Moment hatte das Feuer sich auch schon wieder aufgezehrt und spie Leichen aus, die wie lebendige Fackeln hinter dem Jeep herwankten.
    » Scheiße!«, schrie Marco.
    Er riss am Lenkrad, und der Jeep raste im Zickzack zwischen brennenden Leichen und Körperteilen hindurch, als ob er einen Slalom-Parcours absolvierte. Wu prallte zweimal gegen die Beifahrertür; er verzog das Gesicht, sagte aber nichts. An der nächsten Kreuzung hatten sie schließlich freie Bahn und fuhren in westlicher Richtung eine Nebenstraße entlang, an einem einsturzgefährdeten hölzernen Wasserturm vorbei. Wu beobachtete das hinter ihnen liegende Eisenbahndepot im Außenspiegel und sah den Widerschein der Flammen auf dem Metalldach; auf der Straße standen unglückliche Leichen wie in flammende Gewänder gehüllt. Eine nach der anderen fiel zu Boden und regte sich nicht mehr. Asche zu Asche.
    Wu entbot ihnen einen stummen Abschiedsgruß.
    Bisher war sein Plan aufgegangen, stellte er erleichtert fest. Noch vor zwanzig Stunden war er auf dem Bergpfad gewandert und hatte an seinem Ausguck über die Wüste von Arizona gestanden, beflügelt durch die Ausschaltung des amerikanischen Special-Forces-Teams. Ein paar Meter hinter ihm hatte der gelähmte schwarze Soldat wie am Spieß geschrien, während die Leiche der alten Frau ihm das Gesicht zerbiss. Wu konzentrierte sich und verdrängte die Schreie. Das umgehängte Gewehr war ihm eine schwere Bürde– genauso wie sein Gewissen. Mit einer einzigen Kugel hätte Wu dem Leiden des Mannes ein Ende bereiten können, doch die Auferstehung musste im Blutkreislauf durch den ganzen Körper transportiert werden– und dafür war eben ein schlagendes Herz erforderlich. Ein schneller Tod wäre kontraproduktiv gewesen. Also wartete Wu geduldig und bereitete sich im Geiste auf den nächsten Zug vor.
    Um die Amerikaner zu besiegen, hatte er Gewalt anwenden müssen.
    Bei Henry Marco musste er jedoch subtiler vorgehen.
    Wu hielt inne und nahm eine plötzliche Stille in der Bergluft wahr. Der Soldat war verstummt– tot–, und nun waren nur noch die Schmatzgeräusche der alten Frau zu hören. Wenn der Körper des Mannes nicht völlig verzehrt worden war, würde er in einem Zeitraum von ein paar Minuten bis zu ein paar Stunden auferstehen; diese Zeitspanne war durch unterschiedliche individuelle Merkmale bedingt, vielleicht durch die Blutgruppe, das Immunsystem oder den Stoffwechsel. Die Wissenschaftler hatten dieses Geheimnis bisher noch nicht gelüftet.
    Eines wusste man jedoch: Die Toten vermehrten sich durch die Lebenden. Die alte Leiche war zu Lebzeiten vielleicht eine Mutter gewesen, vielleicht sogar eine Großmutter. Nach der Auferstehung würde die Frau wieder eine Mutter sein– auf eine pervertierte Weise.
    Genau darauf basierte Wus Plan.
    Er stieß die gebrechliche Frau mit dem Fuß an, sodass sie die Böschung hinunterrollte und wimmernd in einem Saguaro-Busch liegen blieb. Den Soldaten wegzuschleppen war schon schwieriger. Der Mann war riesig und fast doppelt

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