Return Man: Roman (German Edition)
Er warf einen Blick auf seinen Rucksack, der an der Konsole lehnte. Alles, was er brauchte, befand sich direkt hier zu seinen Füßen.
Kheng Wu war wieder Herr der Lage. Nicht Henry Marco.
6 . 8
Mit Feuerstößen aus der AK -47 rückte Marco durch die restlichen Personenwagen vor und mähte Leichen nieder. Der Zug schwankte heftig und erschwerte ihm das Zielen; er fiel zwischen die Sitze und vergeudete Munition– ein ungünstiges Verhältnis zwischen Fehlschüssen und Kopfschüssen. Genau in dem Moment, als die Kalaschnikow die letzte Kugel im Magazin verschoss, wurde er von vorne durch eine Taschenlampe geblendet.
Der tote Schaffner rannte den Gang entlang. Er hatte noch immer die brennende Taschenlampe im Mund stecken. Marco warf die Kalaschnikow weg und eröffnete das Feuer mit der Glock; der erste Schuss ging daneben, doch die zweite Kugel zertrümmerte die Taschenlampe, und die Batterien sprengten die Schädeldecke des Schaffners und flogen wie Projektile aus dem Hinterkopf. Die fette Leiche stolperte noch zwei Schritte vorwärts und kollabierte dann zu einem Fleischberg.
Eine Taschenlampe vergeudet, dachte Marco. Das war nicht sehr klug von dir, Wu.
Er hob die leere Kalaschnikow auf und hängte sie über die Schulter– vielleicht hatte Wu noch mehr Magazine dabei. Dann ging er mit der Glock im Anschlag weiter. Er streckte noch fünf weitere Leichen nieder– fünf Kopfschüsse, nach denen er nur noch eine Patrone im Magazin hatte– und erreichte schließlich mit schmerzenden Ohren die Lokomotive.
Hinter der Tür blockierten zwei Leichen einen schmalen, blutverschmierten Korridor– das waren die Bordmechaniker. Sie lagen aufeinander und waren mitten im Kampf mumifiziert. Der eine, aus dessen aufgerissenem Brustkorb die Organe quollen, hielt in der Hand einen Schraubendreher, der in den Schädel des anderen gerammt war. Marco ließ die Szene vor seinem geistigen Auge Revue passieren– wie der erste Mechaniker auferstand und den zweiten angriff.
Sie hatten sich gleichzeitig gegenseitig getötet.
Teamwork in höchster Vollendung, sagte Marco sich und stieg über die Leichen hinweg. Doch wer war er, dass er über sie richten wollte? Mein Partner hat soeben meinen Jeep in der beschissenen Wüste zurückgelassen.
Der Waggon schlingerte, als er den Korridor entlangstolperte, vorbei an dicken Rohren, Messinstrumenten und lauten, kompakten Maschinen so groß wie Kühlschränke. Der Korridor weitete sich am Ende; und im Kopf der Lokomotive saß Wu auf einem hohen Hocker hinter einer Konsole mit Skalen und Hebeln und schaute in Gedanken versunken durch die Frontscheibe. Seine Hand ruhte auf dem Fahrschalter.
» Was zum Teufel machen Sie da?«, fragte Marco schroff.
Vielleicht zuckte Wu zusammen; Marco war sich nicht sicher. Der Soldat drehte sich halb auf dem Hocker um. » Ich bringe uns aus der Gefahrenzone«, sagte er viel zu sachlich.
Marco starrte ihn ungläubig an. » Ach ja? Und was ist mit dem Jeep?«
» Der war umgestürzt und nur noch ein Schrotthaufen, als ich ihn zuletzt gesehen habe. Die Lokomotive war unsere einzige Flucht…«
» Was reden Sie denn da für einen Mist«, unterbrach Marco ihn. » Halten Sie den Zug an. Wir fahren zurück.«
» Unmöglich. Zu viele Leichen.«
» Mein Gott, Wu, benutzen Sie mal Ihr Gehirn. Mein ganzer Kram war im Jeep– meine Tasche, meine gesamte Ausrüstung und meine Vorräte. Landkarten. Meine Waffen.«
» Sie haben doch schon zwei Waffen, Doktor. Wie viele brauchen Sie denn noch?«
» Jedenfalls mehr als zwei, Sie Arschloch.«
Ungerührt drehte Wu sich wieder auf dem Hocker um. Man sah durch die Frontscheibe, wie die Landschaft sich veränderte, je näher der Zug Yuma kam. Die Wüste wurde nun von asphaltierten Straßen durchzogen, und Telefonmasten wechselten sich mit den Kakteen ab. Die Gleise führten an einem einsamen Schnapsladen mit eingeschlagenen Fenstern vorbei. Davor stand ein verlassener, schmutziger Pkw mit offenen, verrosteten Türen.
» Ich brauche keine Schusswaffe«, sagte Wu, ohne Marco eines Blickes zu würdigen. » Nur meine Messer. Sie haben zwei Schusswaffen. Der Rest Ihrer Sachen ist aber verloren. Es tut mir leid.«
Marco kochte vor Wut. Es hört sich aber gar nicht so an, als ob es dir auch nur im Geringsten leidtäte.
» Hören Sie zu«, sagte er beherrscht. » Und ich meine wirklich zuhören. Ich hatte Sie davor gewarnt, diesen Zug zu betreten, aber Sie haben mich ignoriert. Das war nun schon das zweite Mal. Und jetzt
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