Revanche - Exposure
bisschen.«
»Weißt du was? Wir fahren zu Dairy Freeze und holen uns einen Hamburger, ja?« Das war Gracies Lieblingsrestaurant auf der Insel, da es kein McDonald’s gab. Auf diese Weise entkamen sie den Essensgästen in Ruby’s Café und einer Menge gut gemeinter, aber lästiger Fragen.
Zehn Minuten später schlichen sie sich über die Hintertreppe ins Freie. Auf dem Parkplatz zog Emma die Plane von ihrem Chevy, faltete sie nachlässig zusammen und warf sie in den Kofferraum. Sie schloss die Beifahrertür auf und hielt sie Gracie auf. Die Kleine kletterte brav in ihren Kindersitz. Dann ging Emma um den Wagen herum zur Fahrertür. Sie glitt auf ihren Sitz, steckte den Schlüssel in die Zündung, warf ihre Handtasche auf den Beifahrersitz und schloss Gracies Sicherheitsgurt. Unterbewusst
hatte sie es schon beim Einsteigen bemerkt, aber jetzt dämmerte es ihr. Die junge Frau hielt in ihrer Bewegung inne.
Im Wagen hing ein leichter Duft, ein Hauch von Parfüm, der ihr in die Nase stieg. Es kam ihr merkwürdig vertraut vor, als hätte sie es noch vor kurzem irgendwo gerochen. Aber wo? Und an wem? Sie zerbrach sich den Kopf, aber vergebens. Eines stand jedenfalls fest: Es war definitiv nicht ihr Duft. Sie spähte zu Gracie. Schuldbewusst glitt der Blick der Kleinen von ihr ins Wageninnere und durch die Windschutzscheibe.
Emma ließ die Hand sinken und beugte sich über ihre Tochter. »Also, Grace Melina«, sagte sie in einem unmissverständlichen Jetzt-hör-mir-mal-gut-zu-Ton. »Ich möchte wissen, was heute passiert ist, und zwar schleunigst! «
Clare blickte von dem zerknirschten kleinen Mädchen zu Emma. Sie trat zurück und hielt den beiden die Haustür auf. »Kommt rein«, meinte sie weich. Eine Woge der Erleichterung durchflutete sie.
»Ich möchte mich für Gracie entschuldigen«, sagte Emma, als sie die Eingangshalle betrat. »Ich hätte …« Sie stockte mitten im Satz. Was? Was hätte sie tun sollen? Sie brauchte Clare doch nichts vorzumachen. In ihrer angespannten Situation hätten die meisten genauso überreagiert. Sie zuckte hilflos mit den Schultern und setzte stattdessen hinzu: »Es tut mir aufrichtig leid, Clare.«
Und das meinte sie auch so. Allerdings hatte sie jetzt ein anderes, ein viel größeres Problem.
Plötzlich versteckte Gracie sich hinter ihrer Mutter, als Sam und Elvis in die Eingangshalle geschlendert kamen.
Clare, die Gracies bestürzten Blick bemerkt hatte, spähte lächelnd über ihre Schulter. »Gracie und Emma sind hier, weil sie noch etwas klarstellen wollten«, erklärte sie den beiden Männern. »Gracie hat nicht die ganze Wahrheit rausgelassen.«
Sam funkelte das Kind an, das hinter den Beinen seiner Mutter Schutz suchte. »Dafür sollte man dir glatt den Hintern versohlen, Kleine«, schnaubte er.
Gracie fing an zu weinen. So etwas war sie nicht gewöhnt. Die meisten Leute waren nämlich nett zu ihr und drohten ihr keine Prügel an. Der Tag hatte so schön angefangen, aber jetzt?
»Mommy hat schon mit Gwacie geschimpft!«, verteidigte sie sich schluchzend. Sie verstand die Welt nicht mehr. Was hatte sie denn Schlimmes gemacht? Sicher, sie hätte auf ihre Mami hören und nicht mitgehen dürfen; aber die Dame war ja eigentlich keine Fremde gewesen, und sie hatte doch nur das gesagt, was man ihr eingeschärft hatte.
»Samuel«, wies Clare ihren Mann milde zurecht, aber Elvis fiel ihr scharf ins Wort.
»Meine Güte, Sam, musst du unbedingt gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen?« Entschlossen beugte er sich vor und hob Gracie mit seiner Prothese hoch. Als er sich aufrichtete, klammerte sie sich an seinen starken Nacken, ihr kleiner Körper von Schluchzern geschüttelt. »Pssst, Beanie-Baby«, besänftigte er sie. Seine kräftige Hand umschloss ihren Hinterkopf, schmiegte ihr Gesichtchen an seine Brust. Dabei funkelte er seinen Freund wütend an. »Ist ja schon gut. Beruhige dich, Schätzchen. Ich pass auf dich auf.«
Emma fand es rührend, wie er sich um die Kleine kümmerte.
Schweren Herzens drehte sie sich zu Sam um und musterte ihn eisig. »Vielleicht interessiert es Sie, warum Gracie so etwas gesagt hat, Mr. Mackey«, meinte sie gedehnt. Sie versuchte, neutral zu bleiben, was ihr nicht ganz gelang, da sie innerlich überzeugt war, ihre Tochter vor Sam in Schutz nehmen zu müssen. Natürlich war ihr klar, dass Gracie irgendetwas Dummes angestellt hatte. Aber eine Dreijährige war bestimmt nicht verantwortlich für diesen Chaostag.
Sam spürte, dass ihm von den
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