Revanche - Exposure
wieder zusammengeflickt, und Harve kann sich derweil in der Sicherungszelle abreagieren.«
»Meinst du, Chance geht gerichtlich gegen ihn vor?« Im Grunde genommen war Harve Hensen eigentlich ein gutmütiger Trottel. Aber jede Gutmütigkeit kannte Grenzen. Seine Frau mit einem anderen Mann im Bett zu erwischen, hatte das Fass offenbar zum Überlaufen gebracht.
Elvis konnte Harves Verhalten durchaus nachvollziehen und verabscheute die Vorstellung, einen Haftbefehl ausstellen zu müssen. Andererseits war es sein Job, Gesetzesübertretungen zu ahnden; wenn Mike Chance also unbedingt Anzeige gegen Hensen erheben wollte, hatte er sie wohl oder übel aufzunehmen.
»Ne, ich glaub nicht.« Ben zuckte mit den Schultern. »Ich mag mich täuschen, aber den Eindruck machte er mir nicht.«
Sandy stürmte herein und bekam die Geschichte brühwarm erzählt. »Diese Kathy hat doch nicht mehr alle Latten am Zaun!«, lautete ihr Kommentar. »Harve ist ein so netter Kerl und fürsorglicher Ehemann. Hoffentlich gibt er dieser Schlampe einen Tritt in den Hintern und setzt sie endlich vor die Tür.« Ben war sich da nicht so sicher, woraufhin die beiden in eine hitzige Auseinandersetzung gerieten. Elvis ließ sie reden und verschanzte sich hinter seinem Schreibtisch, wo er sich dem allgegenwärtigen Papierkram widmete.
Um kurz nach zehn hörte er, wie Sandy rief: »Hallo, Mrs. Sands! Schön, Sie zu sehen. Und das ist sicher die kleine …«
Sein Kopf schoss ruckartig hoch. Emma, die im Halbprofil zu ihm stand, schloss eben die Eingangstür. Gracie zerrte an ihrer Hand.
»Gwacie«, krähte sie, bevor Sandy den Satz beenden konnte. »Ich bin drei, weißt du.« Sie zerrte in Sandys Richtung, schwenkte dann aber um, als sie Elvis an seinem Schreibtisch entdeckte. »Hi, Sheriff Elbis!« Sie riss sich von Emmas Hand los, lief durch den Raum und stürzte sich auf Elvis’ ausgestreckte Beine. Dann breitete sie die Arme aus und bettelte: »Hoch!«
Er hob sie hoch und setzte sie auf sein Knie. »He, Kleine. Was machst du denn hier? Willst du mir bei der Arbeit zuschauen?«
»Öhm-nö, Maman muss eine Anzeige machen.« Sie blinzelte mit ihren riesigen, nougatbraunen Augen zu ihm auf und plapperte weiter: »Unsere Reifen sind aufgeschlitzt worden, Elbis.«
»Eure Reifen?«, meinte er. Sein Blick glitt von ihrem hübschen, aufgeweckten Gesichtchen zu Emma, die langsam näher kam. »An dem Chevy, Em?«, wollte er wissen. »Verstehe ich das richtig: Jemand hat die Reifen an deinem Chevy aufgeschlitzt?«
Sie sank auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und massierte sich die pochenden Schläfen. Leichte Kopfschmerzen machten sich bemerkbar. »Wir haben es eben erst bemerkt. Gracie und ich wollten nämlich zu …«
»Miss-us Mackeys Haus fahrn«, schaltete sich Gracie hilfsbereit ein.
»Ja. Aber als ich die Plane von dem Wagen nahm, stellte ich fest, dass zwei Reifen platt waren.«
»Platt wie Pfannkuchen«, kiekste Gracie.
»Ganz klar, dass sie aufgeschlitzt wurden, Elvis.« Sie
rieb sich fester über die Stirn. »Aber wieso sollte mir jemand die Reifen zerstechen?«
»Meinst du nicht, es könnte … ähm … ein gewisser Jemand gewesen sein?«, hakte Elvis nach. Vor Gracie ließ er den Namen Grant Woodard geflissentlich unerwähnt.
»Mmh … vielleicht. Meinst du als eine Art Einschüchterungsmanöver?« Sie überlegte kurz. »Möglich wäre es. Aber eigentlich traue ich ihm das nicht zu, Elvis.«
»Nicht sein Stil?«
»Nein. Nicht wirklich.« Sie seufzte frustriert auf. »Aber was weiß ich schon über seine kriminellen Aktivitäten? Noch vor zwei Monaten hätte ich meine Hand für ihn ins Feuer gelegt.«
»Von wem redet ihr, Mommy?«
Emmas Blick glitt zu Gracie, die sich anhänglich an Elvis schmiegte und sie mit großen Augen anschaute. »Ach, von jemandem, der böse Sachen gemacht hat, Herzchen.« Sie streckte die Arme nach ihrer Tochter aus. »Jetzt kommst du aber wieder zu Mami, Schätzchen.« Sobald Gracie von Elvis’ Schoß und in ihre Arme gehüpft war, umarmte Emma sie stürmisch. Pustete ihr zärtlich in den Nacken, bis die Kleine jauchzte.
Elvis stand auf. »Ich möchte mir den Schaden erst einmal ansehen, bevor ich die Anzeige aufnehme.« Er fasste Emma am Ellbogen, um ihr beim Aufstehen zu helfen, und wartete, bis sie sich Gracie auf die Hüfte gesetzt hatte. »Womöglich ist es nur ein Fall von Vandalismus, Em«, beruhigte er sie. »Leider passiert so was immer häufiger.«
Sandy und Ben nickten
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