Revolte auf Luna
hatte, fielen den beiden Posten auf. »Was ist das?« fragte einer von ihnen.
»Computerpapier«,antwortete ich.»Testreihen.«
Der andere kam neugierig näher. Offenbar konnten beide nicht lesen. Sie wollten die Witze beschlagnahmen. Ich verlangte, sie sollten den Chefingenieur anrufen. Schließlich ließen sie mich laufen. Ich war zufrieden; je unmöglicher sich die Friedensdrachen benahmen, desto verhaßter wurden sie.
Die Entscheidung, Mike wirklich zu einer Persönlichkeit zu machen fiel erst, als sich herausstellte, daß er in Notfällen für alle Parteimitglieder erreichbar sein mußte.Seine Stimme war unterdessen nach Timbre und !ualität >menschlicher< geworden -er hatte einen sympathischen Bariton mit nordamerikanischem Akzent; als Michelle war es ein Sopran mit französischem Akzent.
Auch seine Persönlichkeit war gewachsen, und er verstand es, sich dem jeweiligen Gesprächspartner anzupassen, wie es ein erwachsener Mensch getan hätte -er unterhielt sich freundschaftlich mit mir, führte gelehrte Diskussionen mit Prof und war galant zu Wyo.
Aber der Hintergrund war unbelebt. Dort herrschte tiefstes Schweigen.
Das mußte anders werden. Wir besprachen das Problem gemeinsam und überlegten uns, wie >Adam Selene< aussehen sollte.
Wie alt war er? War er verheiratet? Wo wohnte er? Welche Hobbys, welche Interessen hatte er?
Wir wurden darüber einig, daß Adam ungefähr vierzig Jahre alt, gesund, kräftig, gebildet und vielseitig interessiert sein sollte.
Er führte eine Troika-Ehe (der häufigste Typ), in der er der ältere Gatte war -vier Kinder. Seine Frau und der jüngere Gatte waren nicht politisch engagiert, soviel wir wußten.
Er war ein athletisch gebauter Mann, sah gut aus, hatte eis -graues Haar und stammte aus einer Pionierfamilie. Adam Selene war für hiesige Verhältnisse wohlhabend und machte nicht nur in L-City, sondern auch in Novilen undKongville Geschäfte. Sein Büro lag in der Alten Kuppel im dritten Stock an der Südseite -also mitten im Bankenviertel. Wir zeichneten den Grundriß dieses Büros auf, das zwischen Aetna Luna und Greenberg ! Co. gelegen hätte -wenn es existiert hätte. Ich nahm die dortige Geräuschkulisse auf, und Mike verbesserte sie, indem er Telefone abhörte.
Wer in Zukunft Adam Selene anrief, hörte echte Hintergrundgeräusche. Wenn >Ursula<, seine Sekretärin, den Anruf entgegennahm, hörte man vielleicht: »Selene Associates. Luna wird frei! Augenblick, bitte. Genosse Selene führt noch ein anderes Gespräch.«
Oder Adam antwortete: »Adam Selene am Apparat. Freiheit für Luna! Augenblick, ich muß den Fernseher ausschalten.« Oder eine andere Stimme sagte: »Hier ist Albert Ginwallah, Adam Selenes Assistent. Luna wird frei.
Sprich unbesorgt, Genosse, wenn es sich um eine Parteiangelegenheit handelt; ich erledige diese Dinge für den Vorsitzenden.«
Diese Antwort war eine Falle, denn jeder Genosse wurde angewiesen, nur mit Adam Selene zu sprechen. Wer darauf hereinfiel, wurde nicht etwa gemaßregelt; sein Zellenleiter wurde jedoch gewarnt, diesem Genossen keine wichtigen Informationen mehr anzuvertrauen.
Unsere Parole fand rasch Anklang. >Luna wird frei!< oder Freiheit für Luna!< gefiel zunächst jungen Leuten, aber dann auch älteren Mitbürgern. Als ich zum erstenmal >Freiheit für Luna!< am Telefon hörte, war ich vor Überraschung sprachlos. Ich rief Mike an und erkundigte mich, ob der Betreffende Parteimitglied war. Mike verneinte die Frage, deshalb schlug ich vor, ihn anwerben zu lassen.
Alvarez setzte seine Spitzel schon kurze Zeit später auf >Adam Selene< an, den er für den Führer einer neuen Untergrundbewegung halten mußte. Innerhalb weniger Monate entstand ein Dossier in der Akte Zebra, das alle wichtigen Einzelheiten undInformationen enthielt, die wir Alvarez zugespielt hatten. 35-45 Jahre alt, Büro in der Alten Kuppel, arbeitet dort außer Samstag ! Sonntag von 08:00-18:00, Telefongespräche werden außerhalb dieser Zeit nach Hause vermittelt. Wohnt im Stadtgebiet, da nie länger als siebzehn Minuten zum Büro unterwegs. Kinder im Haushalt. Als Börsenmakler und Vermögensverwalter tätig. Kulturell interessiert, spielt Schach, sportlich, vermutlich Mitglied eines Sportvereins. Bemerkenswertes Gedächtnis, trifft rasche Entscheidungen, Führerpersönlichkeit.
Alvarez hatte nur einen Kummer: die Rufzeichen, unter denen Adam Selene zu erreichen sein sollte, waren unweigerlich falsch.
Darauf versuchte er >Selene Associates<
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