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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Diesem durchtriebenen Burschen. Immer hat er irgendetwas am Laufen – finstere Gestalten. Der Pole wohnt im CVJM in der Kannikestræde, ich stürme einfach hinein.
    »Du krankes Schwein! Was ist das für ein Scheiß? Glaubst du, ich lass mir das gefallen? Dass du mich schlägst und auspeitschst. Und dich mit deinem beschissenen Arsch auf mein Gesicht setzt? Du bigotter, perverser, kleinbürgerlicher, psychopathischer Pfaffe!«
    Ich fange fast an zu lachen, denn Jacques hat regelrecht Angst vor mir. Mir wird klar, dass ich wie eine Irre herumschreie – eine regelrechte Grönländer-Wut. Ich hatte es vorher nie ausprobiert.
    »Entschuldige bitte«, sagt er kleinlaut. »Ich werde es nie wieder tun.«
    »Wenn dir auch nur irgendwann in den Sinn kommt, so etwas noch einmal zu versuchen, dann beiß ich dir den Schwanz ab!«
    »Entschuldigung, Entschuldigung«, jammert Jacques. Der Pole hat ein schleimiges Grinsen aufgesetzt, deshalb verpasse ich ihm eine Ohrfeige. Das Grinsen verschwindet, jetzt grinse ich.
    »Los!«, sage ich zu Jacques und zeige auf die Tür. Und er steht gehorsam auf und schleicht hinaus. Als ich hinter ihm her wackele, spüre ich es – die Verschiebung der Machtverhältnisse. Ich kann mich durchsetzen. Ich spüre, dass er Angst hat. Er hat Angst, dass ich die Tour absage, weil er sich zu viel herausnimmt. Ich könnte meinen Teil des Geldes fordern und das Ganze abblasen. Ich muss ihm nicht einmal damit drohen, so brav ist er.
    Aber ich glaube, wir werden die Reise trotzdem verschieben müssen. Wir haben die Tickets gekauft, aber Jacques wird krank. Er macht so einen eigenartigen Eindruck, läuft die ganze Zeit herum und hält sich den Bauch, sagt, er habe Schmerzen. Er hat sich mehrere Tage nicht mehr gewaschen und lässt sich den Bart wieder stehen.
    »Soll ich die Tickets ändern lassen?«
    »Nein, nein, es wird schon gehen«, sagt er und macht eine abwehrende Handbewegung, bevor er auf die Toilette an der Hintertreppe rennt. Ich packe unsere Koffer – am nächsten Tag wollen wir los – und höre, wie Jacques sich übergibt.
    »Bist du okay?«, erkundige ich mich, als er zurückkommt.
    »Ja, ja, aber ich muss morgen Vormittag noch mal zu Mette. Ich will mich ordentlich von ihr verabschieden und ihr das hier schenken.«
    Er hat ihr eine teure Lampe gekauft. Wir verabreden, dass er mit einem Taxi zu Mette fährt und ich den Bus zum Flughafen Kastrup nehme. Die Koffer und Taschen nehme ich mit, wir wollen uns in der Abflughalle treffen.
    Er kommt wie vereinbart, wir checken ein, gehen an Bord und setzen uns – nächster Stopp Paris –, und Jacques öffnet sein Hemd: Auf seinem Bauch liegt ein dickes Bündel Tausendkronenscheine.
    »Mann! So viel Geld«, sage ich und lache; er lacht auch, und wir küssen uns. Wir haben alles richtig gemacht, wir haben eine Menge Startkapital, und wir sind unterwegs.
    Richtung Süden
    In Paris suchen wir uns ein mittelmäßiges Hotel und wälzen uns auf dem Doppelbett, wobei wir mit den einhundertzwanzig Tausendkronenscheinen um uns werfen. Jacques zeigt mir Paris, wir kaufen hübsche Sachen, ziehen sie an, mieten uns ein Auto und fahren nach Genf. Dort eröffnen wir ein Konto in einer richtig schicken Bank, zahlen das Geld ein und legen fest, dass wir beide unterwegs Travellerschecks ordern können. In der Schweiz fragen sie nicht, woher das Geld stammt. Der Bankmensch verabschiedet sich höflich, und als ich Hand in Hand mit Jacques hinausgehe, sagt er: »Der weiß ja nicht, ob wir nicht vielleicht die großen Kunden der Zukunft sind.« Wieder dieses James-Bond-Gefühl.
    Wir fahren nach Nizza und besuchen Jacques’ zwölfjährige Tochter Carmen. Und seine unglaublich hübsche Exfrau, die Spanierin. Von dort geht es weiter nach Griechenland, aber zuerst müssen wir durch Italien, wo wir den Mietwagen eigentlich abliefern sollen – wir dürfen ihn nicht mit nach Jugoslawien nehmen.
    »Ach, das macht nichts«, meint Jacques. »Ich schicke denen die Schlüssel.«
    »Okay«, sage ich. Wir überqueren die Grenze und kommen auf die Idee, uns Albanien anzuschauen. Auf dem Weg zur albanischen Grenze nehmen wir einen merkwürdigen Tramper mit. Einen Amerikaner. Er trägt eine weiß-türkis-gemusterte Acrylhose und einen türkisfarbenen Acrylpullover mit V-Ausschnitt. Total irre. Und er ist voll mit Aufputschmitteln. Er hat zwei Wochen Zeit in Europa und will so viele Grenzen wie möglich überqueren. Zwei Wochen, um Stempel in seinem Pass zu sammeln, damit er seinen

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