Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
Vom Netzwerk:
des KCMC , der von den Laubengängen der einzelnen Stockwerke umgeben ist.
    »Ja, gern.« Wir stellten uns an die halbhohe Wand aus Hohlziegeln, die zum Hof führt. Sie bot mir eine Marlboro an, ich gab ihr Feuer. Sie sagte nichts.
    »Wie geht’s dir?«, erkundigte ich mich.
    »Tja«, erwiderte sie mit einem Achselzucken.
    »Seid ihr froh, hier zu sein?«, fragte ich – nicht weil ich unbedingt ihren Mann erwähnen wollte, auch nicht indirekt. Aber ich hatte keinerlei Verhältnis mit Sigve. Überhaupt nicht. Und ich wusste nicht, ob ich es aufbauen könnte. Sie lehnte sich an die halbhohe Mauer.
    »Ich weiß nicht, was er treibt«, sagte sie. »Er ist nie mehr zu Hause …«
    »Aber … « Ich versuchte es. »Seid ihr schon lange verheiratet?«
    »Nein, wir sind ein Jahr miteinander gegangen und haben, kurz bevor wir hierherkamen geheiratet.«
    »Und keine Kinder?«, fragte ich, obwohl ich wusste, dass sie keine hatten.
    »Nein, noch nicht.« Sie warf die Zigarette auf den Boden, trat drauf. Dann wandte sie mir den Kopf zu und sagte hastig: »Ich glaube, er rennt irgendwelchen Frauen in der Stadt hinterher.«
    Ich schaute sie an, aber sie wandte den Blick ab, unsere Augen trafen sich nicht. Ich sagte nichts.
    »Tore ist immer ein sehr … kontrollierter Mann gewesen«, fügte sie hinzu, ohne mich anzusehen. »Fast zu kontrolliert. Aber jetzt …« Sie fing an, ihre Taschen zu durchwühlen, beinahe hektisch. Ich reichte ihr eine von meinen Zigaretten, gab ihr Feuer – wir standen nah beieinander, während das Sonnenlicht wie eine Säule direkt in den Innenhof schien.
    »Er ist weg aus Europa«, sagte ich. »Und hier gibt es niemanden, der ein Auge auf ihn hat.«
    »Niemanden außer mir.«
    »Ja.«
    »Machst du das auch?«, fragte sie mich.
    »Was?«
    »Diesen Frauen nachlaufen.«
    »Ich laufe nur dir nach«, antwortete ich. Sie zog mit zusammengekniffenen Augen fest an ihrer Zigarette, drehte sich um und ging. Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte.
    Wir fahren durch Kindoroko und erreichen das Schild: Tanesco – Pangani Hydro Systems, Nyumba ya Mungu, Dam & Power Station. Biegen rechts auf die Schotterpiste und halten uns westwärts; in einer ewigen Explosion wirbelt rostroter Staub von den Rädern auf. Kurz darauf kommen wir an der Eisenbahnlinie nach Moshi vorbei; vor uns liegt das Land in sanften Anhöhen und Senken, es erstreckt sich nach Westen bis zu den Blauen Bergen im Süden der Zuckerplantage TPC . Buschland wechselt sich mit abgewirtschafteten staatlichen Sisalplantagen ab. Die Straße steigt eine ganze Weile an; wir begegnen einigen Hirten mit ihren Kuhherden. In der Nachmittagssonne sind sie dermaßen träge, dass sie regungslos stehenbleiben, während wir durch ihren warmen, würzigen Geruch fahren. Als wir den Kamm erreichen, sehen wir die große Wasserfläche, die sich unter uns nordwärts erstreckt. Ich halte, wir trinken Wasser aus unseren Flaschen, rauchen.
    »Wieso heißt der See Nyumba ya Mungu?«, fragt mich Sigve. Bevor der Damm gebaut wurde gab es einen großen Felsen, der an einer Flusskrümmung aus dem Wasser ragte – er sah aus wie ein von Menschenhand gefertigter Thronsessel. Die Eingeborenen nannten den Felsen Kiti ya Mungu – den Thron Gottes. Dann wurde der Fluss gestaut, das Wasser stieg, und nun ist der Thron Gottes überschwemmt.
    »Daher nannten sie den See Nyumba ya Mungu – das Haus Gottes.« Ich überprüfe die Kühltasche, die unsere Verpflegung und das Wasser enthält. Sie ist gut befestigt, die Kühlelemente sind noch gefroren. Bald erreichen wir einen Schlagbaum aus Metall, der an einem einsam gelegenen Wachhäuschen quer über der Straße liegt – das örtliche Polizeirevier. Ich erkläre dem Beamten, dass wir nur nach Spillway wollen, um am See Fisch zu kaufen, dann würden wir zurück zur TPC fahren. Es ist in Ordnung.
    Sobald wir die Polizeistation hinter uns gelassen haben, bittet mich Sigve zu halten. Sie muss pinkeln. Ich sehe mich um.
    »Siehst du jemanden?«
    »Nein, du hast freie Bahn.« Sie setzt sich hinter einen Busch am Straßenrand in die Hocke und pinkelt. Das Geräusch wirkt heftig unter freiem Himmel.
    »Ich bin undicht«, sagt sie hinter dem Busch.
    »Du bist wunderbar.«
    »Auch wenn ich pinkele?«
    »Alles, was im Augenblick passiert, gefällt mir.«
    »Nur im Augenblick?«
    »Es gab schon früher ein paar ähnliche Situationen«, erwidere ich lächelnd. Sie sagt nichts. Ich würde gern mehr sagen, weiß aber nicht, was. Das Geräusch bricht

Weitere Kostenlose Bücher