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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Freunden in New York zeigen kann, dass er überall gewesen ist – er sieht nichts als Autobahnen. Aber er ist Feuer und Flamme, als er hört, dass wir nach Albanien wollen; ich glaube, er weiß nicht mal, was Albanien ist. So wie es aussieht, hat er nur gehört, dass es für Amerikaner absolut unmöglich ist, dort reinzukommen.
    Wir erreichen den Grenzposten auf der jugoslawischen Seite, dort ist niemand. Jacques hupt, aber es passiert nichts. Na ja, wir fahren einfach weiter. Wir fahren durch Niemandsland bis zum albanischen Grenzposten, und dort steht ein richtig militärisch aussehender Bursche mit Sternen auf dem Barett und geballten Fäusten. Er ist sehr freundlich und erklärt uns, wir könnten nicht einreisen. Wenn wir unbedingt nach Albanien wollen, dann müssten wir nach Belgrad fahren und uns ein Visum besorgen. Gleichzeitig beginnt allerdings unser Freund aus New York auf dem Rücksitz zu krakeelen.
    »Is this Albania?«, brüllt er. Dann schiebt er meinen Sitz nach vorn, bis ich gegen die Frontscheibe gepresst werde. Er reißt die Tür auf, springt aus dem Auto und läuft beinahe federnd über den Boden, als könnte er es nicht fassen, dass er darauf tritt. Dabei reckt er die Arme in die Luft und schreit mit irrem Blick: »Is this Albania?« Er geht auf den Soldaten zu, der starr wie eine Statue sein Maschinengewehr in den Händen hält. Jacques steigt aus, und der Soldat zielt auf Mr. New York; Jacques streckt die Hände in die Luft, während der Soldat sich zurückzieht. Mr. New York geht weiter auf den Soldaten zu und brüllt irgendetwas über Albanien, bis Jacques ihn von hinten packt, zum Auto zerrt und auf den Rücksitz schiebt. Wir drehen und fahren zurück. Aber jetzt ist der Grenzposten auf der jugoslawischen Seite plötzlich besetzt.
    »Wo kommen Sie her? Wo wollen Sie hin? Nein, wir können Sie nicht einreisen lassen.«
    Wir werden in ein Büro verfrachtet und zeigen unsere Pässe, die sie mit verbissener Skepsis studieren, während Jacques redet und erklärt. Der Grenzbeamte ist nicht beeindruckt.
    »Nun ja, Sie könnten ja einen Spion aus Albanien geholt haben, ihn zum Beispiel?«, sagt er und zeigt auf Mr. New York, der in seinem Amphetaminrausch vor sich hin zittert. Aber das scheint bei näherer Betrachtung nicht wirklich wahrscheinlich. Er sieht kaum aus wie ein Albaner. Nach einer Weile lassen sie uns fahren, wir müssen Albanien umrunden. Wir fahren auf ein paar unglaublich grüne Berge zu, vorbei an Zigeunerwagen, die von Pferdegespannen gezogen werden – hinter einem von ihnen trotten zwei mit einem Riemen an die hintere Klappe des Wagens gebundene Bären in besticktem Zaumzeug.
    Mr. New York kann es nicht fassen. »Oh no. Oh no. This is … this is wild«, murmelt er. Vermutlich ist er noch nie weiter von einem Wolkenkratzer entfernt gewesen. Wir müssen über den Berg, und es wird immer unwegsamer, mit Schotterpisten, steilen Felsen und tiefen Abgründen. Abends zieht Nebel auf. Mir fällt auf, dass unser Passagier seit längerer Zeit nichts mehr gesagt hat, also drehe ich mich um: Er hat tatsächlich seinen Pullover über den Kopf gezogen, damit er nichts mehr sehen kann.
    »He, New York«, spreche ich ihn an.
    »Oh, nein, oh, nein«, murmelt er aus dem Pullover. »Glaubt ihr, wir kommen jemals wieder in die Zivilisation?«
    »Nein«, sage ich.
    »Oh, nein«, jammert er in seinem Pullover – total verschraubt. Wir haben den Gipfel hinter uns und sind auf dem Weg nach Griechenland. Allerdings sind wir inzwischen seit vierundzwanzig Stunden unterwegs und ziemlich müde. Jacques bremst.
    »Wir gehen jetzt in dieses Hotel und schlafen«, erklärt er New York. »Willst du mit?« New Yorks Kopf erscheint in der Halsöffnung seines Pullovers.
    »Was ist los? Warum haltet ihr an? Aber ich muss sofort nach Griechenland. Lasst mich raus!« Er ist überhaupt nicht müde, er hat keine Zeit zu schlafen. Mit herausgehaltenem Daumen rennt er auf die Straße, wir fahren zum Hotel und fallen um.
    In Athen lassen wir den Wagen stehen. Jacques schickt Avis den Schlüssel nach Italien und legt eine Nachricht bei, wo der Wagen geparkt ist.
    »Und was ist mit der Rechnung?«, frage ich ihn.
    »Avis wird es überleben. Erst, wenn wir Europa verlassen, wird so etwas wirklich gefährlich.« Wir fahren mit dem Schiff auf eine griechische Insel. Ein Fischer bringt uns auf eine türkische Insel, von dort aus nehmen wir eine Fähre zum türkischen Festland und faulenzen anderthalb Monate. Ferien. Wir finden

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