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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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werden – alle Steine werden unter Aufsicht sortiert. Vielleicht finden sich darunter gute Tansanitsteine. Ich werde dann nicht hier sein.
    »Wir müssen sie herrichten«, sagt mzee Akrabi über die Leichen. Er denkt an die Field Force Unit. Es besteht die Gefahr, dass die Mine geschlossen wird. Wir müssen die Leichen begraben, und es muss anständig gemacht werden, um Unruhe unter den Arbeitern zu vermeiden.
    »Ich wasche sie«, sage ich. Die Leichen liegen unter dem Halbdach im Schatten. Es wird allmählich dunkel. Beim Koch hole ich Wasser und einen Lappen. Wische ihnen den Staub aus den Gesichtern. Finde mein Huhn. Ich öffne das milchig-weiße Auge und stecke meinen Finger hinein. Das Huhn legt Eier – zwischen Auge und Schädel sitzt mein Stein. Ich grabe ihn aus der Augenhöhle. »Danke für deine Hilfe, Fillemon«, flüstere ich und stecke mir den Stein in den Stiefel. Ich spüre, wie er gegen meinen Knöchel reibt, ein schönes Gefühl.
    Mzee Akrabi ist verschwunden, um mit dem Besitzer der Mine zu sprechen, auf die wir gestoßen sind. Er ist kein unmittelbarer Nachbar, denn unter der Erde bewegen wir uns überall, weit. Auf der Erdoberfläche liegt sein Claim vierhundert Meter entfernt. Ich gehe zu Shirazi.
    »Wir verschwinden jetzt«, flüstere ich.
    »Hast du den Stein dabei?«
    »Ja.« Wir laufen durchs Tor in die Dämmerung. Auf der holprigen Schotterpiste haben wir Glück und können hinten auf einen Tanklaster springen, der im Minengebiet sauberes Trinkwasser verkauft hat.
    III
    Wir erreichen Mererani Township. Inzwischen ist es dunkel, aber hier gibt es viel Leben und Licht. Das Licht bringt eine Enttäuschung an den Tag, denn unser Stein hat eine leichte Bruchlinie. Er wird in zwei Teile zerbrechen, wenn man ihn für Schmuck schleift. Aber für den gewöhnlichen Straßenhandel ist er trotzdem zu groß. Wir gehen an den kleinen Tischen vorbei, an denen Massai auf einem Bein stehen, auf ihre Viehtreiberstöcke gestützt, die roten Kleider um den Körper geschlungen. Sie verstehen sich aufs Handeln, aber nie wirst du einen Massai in ein Loch kriechen sehen – sie können unter der Erde nicht leben.
    Die Alten erzählen, Tansanit sei durch Feuer geboren worden. Ein Blitzschlag löste einen Steppenbrand im Tal aus, und als die Viehhirten durch das verbrannte Land gingen, entdeckten sie leuchtend blaue Steine auf der Erde, die sie noch nie gesehen hatten. Das Feuer hat die besondere blaue Farbe des Steins geschaffen. Das Kristall kann viele Farben haben: grau, purpurn, goldbraun, blau, grün oder rötlich violett. Derselbe Stein kann verschiedene Farben aufweisen, wenn man ihn im Licht dreht. Aber sobald man den Stein mit Feuer erhitzt, wird die Farbe auf ewig zu einem kräftigen Violett-Blau, das auf Frauen anziehend wirkt. Auf der ganzen Welt ist der blaue Stein nur hier zu finden.
    Wir kommen zur Shah Jewellery , die einem Inder gehört. Ein kleines Haus, davor ein Wachposten – kräftige Arme und eine Pistole im Holster unter der Jacke.
    »Zeig mir den Stein«, sagt er, denn die ganz kleinen Steine soll man den Zwischenhändlern auf den Motorrädern verkaufen. Shah will nur größere oder perfekte Steine sehen. Ich grabe in meinem Stiefel, ziehe den Stein heraus. »Du wartest hier«, sagt der Wachposten zu Shirazi und öffnet mir die Tür. Zunächst stehe ich in einem Vorzimmer mit Sekretärin, die sich um das Telefon kümmert – eines der ersten in Mererani Township. Eeehhh – sie ist ziemlich mollig und hübsch. Bald werde ich eine Frau haben. Sie führt mich in Shahs Büro, mit richtigen Möbeln, indischen Bildern an den Wänden, einem Waschbecken in der Ecke. Shah sitzt mit seinem glänzenden Haar hinter dem Schreibtisch.
    »Lass mich sehen«, sagt er. Ich lege den Stein vor ihn. Er hält ihn unter die Lampe, setzt eine Lupe auf und sieht ihn sich an. Hinter ihm hängt ein Reklameplakat: eine weiße Frau mit glatter Haut, schimmernden Haaren in Honigfarbe und Schmuck – Tansanit. Ja, aus dem Loch unternimmt der Stein eine lange Reise. Ihre schönen Augen sind erregt bei dem Gedanken, wie viel Schweiß der Neger in die Erde hat bluten müssen, um diesen blauen Stein ans Licht zu holen, damit er an ihrem blassen Hals schimmern kann.
    »Wie Sie sehen, ist er perfekt«, sage ich.
    »Ich sehe, dass er eine Bruchlinie hat«, antwortet Shah. Das stimmt. Während des Schleifens wird er zerbrechen und nur für kleine Schmuckstücke zu gebrauchen sein. Es gibt einen Preis pro Gramm, der geringer

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