Revolution - Erzählungen
abtransportiert? Glaubt mzee Akrabi, wir können, ohne zu essen und zu trinken, nach Steinen graben? Ohne Luft aus dem Kompressor? Vierzig Meter unter der Erde und vierhundert Meter in einem Stollen? Glaubt er, wir könnten Steine stehlen, die bisher nicht einmal gefunden wurden? Wahnsinn.
Wir haben unseren Lohn nie in Form von Geld bekommen, aber nun gibt es auch kein Essen mehr, kein Wasser, nichts. Wir helfen uns gegenseitig aus. An die Zwischenhändler könnten wir kleine Steine verkaufen und beim indischen Kaufmann in Mererani Steinchen gegen Lebensmittel tauschen. Aber wir haben keine kleinen Steine. Morgens gehen sämtliche Arbeiter zu den anderen Minen, stehen vor dem Tor Schlange und fragen nach Arbeit. Der Wachmann kommt. Er hat eine Peitsche und einen Stock. Er wählt ein paar Männer aus, den Rest scheucht er weg. Wenn wir nicht schnell genug beiseitespringen, bekommen wir seinen Stock zu spüren. Shirazi ist verzweifelt vor Hunger. Wir sieben die Abraumhaufen aus Steinen und Staub durch, die wir aus der Mine geschleppt haben. Wir bauen einen Rahmen aus vier Brettern, zwischen die wir ein Moskitonetz aus Metall montieren, damit wir die Schlacke auf das Sieb schaufeln können, um sie zunächst vom Staub zu trennen. Hinterher untersuchen wir die liegengebliebenen Steine. Bevor wir ohnmächtig werden, müssen wir Tansanit finden, das übersehen wurde. Ich denke an meine Mutter, wie sie mit einer Schale aus geflochtenen Palmblättern dasitzt und Reiskörner von Steinchen säubert. Den Reis kocht sie für mich, und ich werde satt. Der Koch verlässt mzee Akrabis Mine, um woanders zu arbeiten. Was soll ein Koch auch tun, wenn es keine Lebensmittel mehr gibt, die er zubereiten kann?
Drei Tage vergehen, und wir haben nichts gefunden. Wir brauchen Wasser. Es ist heiß. Große dünne Staubteufel fegen rastlos in der Nachmittagshitze über die Landschaft. Das Wasser aus den Brunnen in Mererani Township ist schlecht. Man kann sich damit waschen, aber wir waschen uns nicht. Man kann es trinken, um sich dann explosionsartig zu entleeren. In Zaire gibt es keine Brunnen, denn das Grundwasser in den Felsen ist voller Krankheiten. Trinkwasser muss hierhertransportiert werden, manchmal in Tanklastern, meist in alten Zwanzig-Liter-Speiseölbehältern, die auf einen Esel geladen werden. Wasser ist teuer, und wir haben kein Geld. So viele junge Männer sind jetzt ohne Arbeit. Und auf dem Sprung. Bekommen wir weder zu essen noch Wasser, wird es gefährlich.
Wir kehren zu mzee Akrabis Mine zurück, um zu schlafen. Rund um die Mine zieht sich ein drei Meter hoher Zaun, gebaut aus Blechplatten und Planken. Das Tor ist verschlossen.
» Askari ?«, rufe ich, denn normalerweise steht der Wachmann direkt hinter dem Tor.
»Verschwinde!«, höre ich von innen. Es ist Hamza.
»Wir sind’s, Shirazi und Moses!«, ruft Shirazi. »Wir wollen in die Mine, um zu schlafen.«
»Ich will euch hier nicht haben«, antwortet Hamza – jetzt ganz in der Nähe der Pforte. Er hat Angst. Kommt mzee Akrabi nicht zurück, erhält Hamza auch keinen Lohn. Der Wachmann muss verschwunden sein, weil es nichts mehr zu essen gab.
»Aber mzee hat gesagt, dass wir hier wohnen können, bis er zurückkommt«, ruft Shirazi.
»Nein«, gibt Hamza zur Antwort. »Ihr könnt in einer der verlassenen Minen schlafen.«
»Dann lass uns wenigstens rein, damit wir unsere Decken holen können«, sage ich.
»Ich will keinen Ärger«, erklärt Hamza, jetzt direkt auf der anderen Seite des Tors.
»Wir wollen bloß unsere Decken holen, damit wir nicht krank werden.«
Hamza fummelt am Schloss. Die Dämmerung hat eingesetzt, dennoch sehen wir als Erstes die Pistole in seiner Hand. Er zieht sich ein paar Schritte zurück, als wir das Gelände betreten.
»Macht das Tor hinter euch zu«, befiehlt er. Ich schließe es.
»Ich hole die Decken«, sagt Shirazi und geht langsam und schleppend auf den Schacht zu. Er ist müde vor Hunger. Ich bin auch müde.
Hamza setzt sich auf ein umgestürztes Ölfass unweit des Tors und behält mich im Auge, die Pistole liegt auf seinem Schoß. Ich hocke mich auf die Erde und ziehe meinen Tabakbeutel aus der Tasche, drehe mir eine Zigarette.
» Eeehhh «, sage ich. »Es ist hart, wenn der Besitzer sich einfach davonmacht und uns hier im Staub zurücklässt.«
» Eeehhh «, wiederholt Hamza, denn jetzt sind wir beinahe gleich, abgesehen von der Pistole.
»Wenn wir nicht innerhalb der nächsten zwei Tage Arbeit finden, müssen wir zu
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