Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
der anderen steht nichts.
»Wir nehmen die hier«, sagt Klatsche und fängt an, sich an der Tür ohne Schild zu schaffen zu machen. Fummel, klack, schnapp. Auf. Er ist wirklich schnell. Hinter der Tür befindet sich ein ellenlanger Gang mit hässlicher Auslegeware. Ich kann durch meine Stiefel hindurch ahnen, wie kratzig dieser Boden sein muss. Von draußen kommt ein bisschen kaltes Straßenlaternenlicht rein, eine S-Bahn fährt vorbei. Links ab: drei Toiletten, eine für Herren, zwei für Damen. Rechts: eine Pantry-Küche. Das hier ist keine Wohnung, das ist ein ehemaliges Büro. Wir gehen langsam durch den Flur und kommen in einen großen Raum, in dem ein Tisch ohne Stühle steht. Neben dem Tisch krümmt sich ein beleidigter Gummibaum.
»So kann man auch wohnen«, sagt Klatsche.
»Kann man nicht«, sage ich.
Ein Büro ohne Menschen ist gar nichts, es ist entsetzlich leer und kann nie und nimmer zu einem Ort werden, an dem man leben will. Es ist auf eine beklemmende Art still hier. So als wäre irgendwo noch was. Da hinten geht ein weiteres Zimmer ab, die Tür ist halb offen.
»Hinter der Tür ist irgendwas«, sage ich. Ich kann bisher nur sehen, dass ein Stuhl quer liegt, aber ich weiß, dass da mehr auf uns wartet. Klatsche geht vor. Er schiebt die Tür mit der Schulter auf und tritt den Stuhl beiseite.
»Scheiße«, sagt er.
Ich mache das Licht an und frage: »Ist das der Basso?«
Klatsche nickt. Das war der Basso. Und die Reste sehen aus wie Hackfleisch. Man kann nur noch wenig von seinem Gesicht erkennen, seine Klamotten sind voller Blut, seine Arme und Beine in alle Richtungen verdreht. Da hat einer richtig zugelangt. Wahrscheinlich haben sich sogar mehrere an ihm ausgetobt. Die Nase und das Kinn sind ein gut gerührter matschiger Brei, vermutlich waren ein paar unfreundliche Metallwerkzeuge beteiligt. Profiarbeit. Mir wird schlecht, es riecht nach Schlachtfest, nach Blut und nach Fleisch. Scheint so, als hätte der Basso doch was ziemlich Wichtiges zu sagen gehabt. Klatsche ist neben dem armen Kerl in die Knie gegangen.
»Nicht anfassen«, sage ich und lege Klatsche die Hand auf die Schulter. Er zittert. Ich fasse dem Basso vorsichtig ans Handgelenk, suche seinen Puls und finde nichts.
»Er ist tot, oder?«
Ich nicke, schlucke und hoffe, dass ich nicht kotzen muss. Klatsche sitzt inzwischen auf dem Fußboden, mit dem Rücken an der Wand. Ganz blass.
»Soll ich lieber abhauen?«, fragt er.
»Nee«, sage ich, »bleib mal hier. Die Nerds von der Spurensicherung würden sonst nur blöde Fragen stellen.«
Für eine kleine Weile sind wir beide ganz still. Dann hole ich mein Telefon raus und rufe die Kollegen an. Klatsche starrt mich dabei die ganze Zeit an, als wolle er mich mit seinem Blick festhalten, und ich starre zurück. Es ist, als würde eine Kraft zwischen uns fließen, die mal ihm hilft und mal mir, und so halten wir es aus, hier zu sitzen und nichts mehr tun zu können.
Sieben Minuten später sind sie alle da. Der Faller sieht müde aus und sagt nicht viel. Er schüttelt immer nur den Kopf. Wir wissen beide: Lass da mal morgen drüber reden.
»So ist das im Leben«, sagt Klatsche, als wir wieder im Volvo sitzen, »da willste ein einziges Mal den Dicken machen, und schon hauen sie dich zu Brei.«
Mir fällt nicht viel dazu ein. Ich hab das schon so oft gesehen, diese armen Schlucker, die ihre Chance gewittert haben und dann voll unter die Räder gekommen sind.
»Kannst du morgen mal zwei Kollegen von mir anrufen?«, frage ich, auch um ihn auf andere Gedanken zu bringen.
»Klar«, sagt er und wischt sich die Nase ab. Seine Augen glänzen. »Wen denn?«
»Der Brückner und der Schulle brauchen einen Tipp, was die Tanzschuppen auf der Meile angeht.«
»Ha, da sind sie bei mir richtig!«, sagt er, etwas zu aufgekratzt. Er achtet darauf, dass ich sein Gesicht nicht sehe, haut den ersten Gang rein und gibt Gas.
Dann, gegen vier Uhr morgens, sitze ich in meinem Wohnzimmer auf den Holzdielen und trinke Bier. Ich weiß, dass Klatsche es genauso macht, nur eine Wand trennt uns voneinander. Ich kann fühlen, wie meine Seele unaufhörlich von innen gegen meine Haut springt. Hätte ich Eier in der Hose, würde ich ihn rüberholen.
Donnerstag:
Sieben Mann auf des toten Manns Kiste und ’ne Buddel voll Rum
H eute Vormittag war ich bei Gericht. Erster Verhandlungstag gegen einen miesen kleinen Drogenhändlerring. Das waren so Typen, auf die ich gar keinen Bock habe. Richtig blöde Arschlöcher.
Weitere Kostenlose Bücher