Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Haben im großen Stil Crack und Heroin vertickt, bevorzugt auf dem Babystrich in St. Georg. Mann, finde ich die zum Kotzen. Arrogante kleine Frösche ohne Anstand, ohne Mitgefühl, ohne Herz. Die haben nicht mal eine ordentliche Sprache, reden nur in Brocken, nein, die reden ja gar nicht, die bellen. Und grinsen mich die ganze Zeit frech an, während ich die Anklageschrift verlese. Ich will, dass sie für gut zehn Jahre hinter Gittern verschwinden. Daumen drücken.
Der Faller war währenddessen in der Pathologie. Der Basso ist an seinem eingeschlagenen Schädel gestorben. Die Spurensicherung sagt, dass die Typen zu zweit gewesen sein müssen. Sie sind mit Knüppeln und Schlagringen vorgegangen. Kiezklassiker. Im Vergleich zu einem betäubten, strangulierten und dann in aller Ruhe skalpierten Mädchen eine grundehrliche Sache, aber nicht weniger widerwärtig.
Ich bin sicher, dass die beiden Morde zusammengehören, auch wenn ich keinen Schimmer habe, wie. Der Faller glaubt das auch.
Ich laufe durch die Hafenstraße und kicke ein paar Steine. Ich mag diese Straße, diese paar Häuser, bunt angemalt, mit angedeuteten Vorgärten und Elbblick, früher mal besetzt. Ein touristischer Brennpunkt, um den ein Riesentheater gemacht wird und an dem absolut nix los ist. Deutschland fährt lediglich ein paarmal am Tag mit Stadtrundfahrtbussen dran vorbei, schaut kurz aus dem Fenster, registriert, aha, hier hat’s also geknallt, hier war es mal aufregend, bevor Berlin so schrecklich aufregend wurde, ach, so klein ist das nur? Und schwupp, ist Deutschland wieder weg. Ich glaube, hier wohnt es sich herrlich unbemerkt.
Der Himmel ist bewölkt, immerhin regnet es nicht, aber es ist wieder arschkalt heute. Norddeutschland im März, nur ein paar Grad über null, es könnte jederzeit noch mal schneien. Verdammtes Dreckwetter. Ich zünde mir eine Zigarette an, nehme zwei Züge, schmeiße sie wieder weg, weil mir direkt schwindelig wird, und mache mich auf den Weg zur Apotheke, was für meinen Blutdruck besorgen. Meine Tropfen sind fast alle, und ich habe das Gefühl, dass ich sie demnächst brauchen könnte.
Carla hat es geschafft. Ich sitze in ihrem Café, vor mir steht ein Glas Weißwein, und neben mir an der Theke lehnt der Typ, den sie für mich ausgesucht hat. Er trägt einen gutgeschnittenen hellen Anzug. Ich finde ihn gar nicht mal so übel. Groß, um die fünfzig, leicht graues Haar, etwas schütter, aber auf eine gute, altmodische Art nach hinten gestrichen. Und ein selbstbewusstes Gesicht, das nicht für zehn Cent seine Gedanken verrät. Er schaut abwechselnd auf seinen Kaffee und auf mich. Carla beobachtet uns aus dem Augenwinkel. Ich räuspere mich, aber nur ganz leise. Er nimmt sofort an.
»Erkältet?«
»Nein«, sage ich und schaue ihm in die Augen. Sie haben einen kalten Glanz, wie Stahl.
»Schönes Café«, sagt er.
Ich sage nichts und drehe mein Weinglas ein bisschen in meiner Hand.
»Ich bin noch nicht lange in Hamburg«, sagt er, und dann, etwas leiser: »Und ich entdecke täglich eine neue Schönheit.«
Das war jetzt ein bisschen schmierig von ihm, tut aber, ehrlich gesagt, ganz gut. Er trinkt seinen Kaffee aus und streckt mir die Hand hin: »Zandvoort. Claudius Zandvoort. Ich bin der Typ, der dringend noch eine zweite Tasse Kaffee brauchen könnte. Möchten Sie auch einen?«
»Danke«, sage ich, »ich bleibe bei meinem Wein.«
Ich gebe ihm die Hand. »Chastity Riley.«
Seine Hand ist trocken und kalt. Er bestellt seinen Kaffee, wir entspannen uns und plaudern ein bisschen über dies und das, Kategorie unverfänglich und Wetter. Er erzählt, dass er seit einem halben Jahr in der Stadt ist, dass er die Intendanz am Okzidental übernommen hat, das ist ein kleines Kieztheater, so ein heruntergekommenes Traditionshaus, die Kulturbehörde will, dass es wieder auf Vordermann gebracht wird. Ich weiß nicht. Das Ding ist irgendwie ein Schmierentheater, zwischen Revue und schlechtem Kabarett. Ich frage mich, warum einer, der so überzeugt von sich ist, so einen Job annimmt. Staat kann man damit nicht machen. Merkwürdiger Typ. Er hat einen leicht singenden Akzent, ich tippe auf Niederrhein. Er ist reserviert wie ein vermieteter Parkplatz, aber ich glaube, er flirtet mit mir. Irgendwas an ihm ist anders als an anderen Männern. Ich kann noch nicht sagen, ob das gut ist oder schlecht, aber es ist auf jeden Fall interessant.
Als er seinen Mantel nimmt und geht, wissen wir beide, dass wir uns morgen Mittag hier
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