Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
Vom Netzwerk:
weil ich noch einen Rest Erziehung in mir habe, spucke ich den Lachs nicht sofort wieder aus. Aber ich suche jetzt wirklich ernsthaft nach einer eleganten Möglichkeit, schnell von hier zu verschwinden. Es ist alles so unangenehm.
    Dann sieht Zandvoort zur Tür, und plötzlich scheint ihm irgendetwas sehr unangenehm zu sein. »Hallo, mein Junge«, sagt er. Seine Stimme klingt eisig.
    Ich habe nicht gehört, dass jemand reingekommen ist. Ich drehe mich um. Auf der Schwelle zum Wohnzimmer steht ein vielleicht achtundzwanzigjähriger Mann in einem dünnen dunkelblauen Pulli und einer ausgewaschenen Jeans. Er hat kurzes braunes Haar, ein schmales, blasses Gesicht und einen hübschen Leberfleck rechts über der Oberlippe. Mein Gott. Es ist der Junge von den Landungsbrücken. Etwas in seinem Blick geht mir direkt ins Herz, schlagartig, er wirkt so verloren wie ein Fohlen im Panthergehege, und er sieht mich an, als wäre ich ein Alien. Ich glaube, seine Oberlippe zittert.
    »John«, sagt Zandvoort, immer noch eisig, »ich habe Besuch.«
    Der Junge sagt nichts, er sieht mich nur an.
    »Hallo«, sage ich, »ich bin Chastity Riley.«
    Ich versuche ein Lächeln, aber es funktioniert nicht. Seine Wirkung auf mich ist nicht ganz so dramatisch wie am Freitag, als ich ihn da auf dem Poller kauern sah, aber irgendwas in mir scheint aufzuschreien, wenn ich ihn sehe. Er dreht sich ungelenk um und verschwindet so schnell, wie er gekommen ist. Ob er mich erkannt hat?
    »Entschuldigen Sie«, sagt Zandvoort, »mein Sohn hat keine Manieren. Er ist ein Stockfisch.«
    »Er wirkt etwas verstört«, sage ich.
    »Ach«, sagt Zandvoort und wendet sich wieder seinem Sushi zu. Es ist, als wäre der Junge überhaupt nicht hier gewesen.
    »Wo ist seine Mutter?«, frage ich.
    »Tot«, sagt er.
    »Oh«, sage ich.
    »Ein Autounfall«, sagt er, »vor fast zwanzig Jahren. Wir hatten uns ein halbes Jahr zuvor kennengelernt und gerade geheiratet.«
    Ich rechne und bin etwas irritiert. Ich könnte schwören, dass der Junge deutlich älter als zwanzig ist.
    »Er ist nicht mein leiblicher Sohn«, sagt er. »Ich habe ihn nach dem Tod seiner Mutter adoptiert. Es gab keine Verwandten, er hätte sonst in ein Heim gemusst.«
    Der arme Kerl. Ohne Mutter aufgewachsen. Der sah gerade so aus, als hätte er gut eine gebrauchen können. Bei mir bin ich da ja nicht so sicher. Ich glaube, das war in Ordnung ohne sie. Dad war ja da. Ach. Was weiß denn ich.
    »Das war sehr großzügig von Ihnen«, sage ich, »ihn zu sich zu nehmen. Das würden nicht alle tun.«
    »Erzählen Sie ihm das mal«, sagt er. »Er dankt es mir nicht.«
    Hoppla. Hatte ich nicht gerade »großzügig« gesagt?
    »Lebt er hier mit Ihnen?«, frage ich.
    »Er wohnt unterm Dach«, sagt er, »und ich habe ihm einen Job als Beleuchter an meinem Theater verschafft. Na ja. Nicht mal das kriegt er hin. Macht richtiges Scheißlicht.«
    Zandvoort klingt so kalt wie der Lachs auf meinem Teller, als er das sagt. Mir wird schwindelig, ich merke, wie mir das Blut in die Beine sackt, mir wird richtig schlecht. Es gefällt mir nicht hier, dieses Gefühl lässt sich langsam nicht mehr wegreden. Ich fasse mir ein Herz, lege meine Stäbchen weg und stehe auf. Man soll gehen, wenn es am beschissensten ist, oder nicht?
    »Wissen Sie was«, sage ich, »ich sollte gehen.«
    Er lehnt sich zurück und trinkt einen Schluck Wein und sagt: »Ach ja?«
    »Ja«, sage ich und bin mir ganz sicher.
    »Sie enttäuschen mich«, sagt er, »ich dachte, Sie hätten mehr zu bieten.«
    Was zu bieten? Kampfgeist? Was will der von mir? Ich werde es nicht mehr erfahren. Der Drops hier ist gelutscht.
    »So ein Pech aber auch«, sage ich.
    Ich gehe zur Garderobe und nehme meinen Mantel. Kurz bevor ich die Tür hinter mir zumache, höre ich noch, wie Zandvoort sagt: »Sie werden wiederkommen, Chastity, das werden Sie.«
    Ich nehme die Treppe und bemühe mich, nicht zu rennen. Der Mann ist mir unheimlich. Als ich durch die Haustür bin, lehne ich mich an die Wand und versuche, ruhig zu atmen und dieses verdammte Schwindelgefühl unter Kontrolle zu kriegen. Ich achte darauf, nicht in Sichtweite der Kamera zu sein. Ich weiß, dass er versucht, mich zu beobachten.
    Auf der anderen Straßenseite steht ein Geländewagen, der da vorhin noch nicht stand. Es ist ein Porsche Cayenne. Ich schreibe mir das Kennzeichen auf, man weiß ja nie.

    Ich wäre gerne noch etwas am Hafen spazieren gegangen, ich hätte mir gerne noch ein paar Lichter und Kräne und

Weitere Kostenlose Bücher