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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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die Schatten der gleichen Objekte zu sehen, nachdem sie gedehnt, zusammengedrückt oder sonst wie verzerrt worden waren. Die Aufgabe bestand darin, den Schatten zu finden, der sich nur dann ergab, wenn zusätzlich zu den anderen Operationen eine Scherdeformation vorgenommen wurde.
    Es dauerte eine Stunde, doch dann war Celestine sicher, die richtige Antwort gefunden zu haben. Hirz und ich versuchten, ihrer Beweisführung zu folgen, aber wir konnten nur zustimmen, dass zwei der anderen Lösungen falsch gewesen wären. Das war immer noch mehr, als wir vor der Infusion mit den Nanomaschinen hätten sagen können, doch diese Erkenntnis empfanden wir nur als schwachen Trost.
    Trotz alledem hatte Celestine die Aufgabe richtig gelöst. Wir betraten den nächsten Raum.
    »Weiter kommen wir mit diesen Anzügen nicht mehr«, sagte Childe und zeigte auf die Tür, die vor uns lag. »Selbst mit den leichteren Modellen wird es eng werden – außer natürlich für Hirz.«
    »Wie ist die Luft hier drin?«, fragte ich.
    »Wir könnten sie atmen«, sagte Forqueray, »und das werden wir für kurze Zeit auch tun müssen. Aber ich würde nicht empfehlen, sich längerfristig darauf einzurichten – jedenfalls nicht, solange wir nicht dazu gezwungen werden.«
    »Gezwungen?«, fragte Celestine. »Sie glauben, die Türen werden auch weiterhin immer kleiner?«
    »Ich weiß es nicht. Aber kommt es Ihnen nicht auch so vor, als wolle dieses Ding uns zwingen, uns immer weiter bis zur völligen Wertlosigkeit zu entblößen? Ich glaube nicht, dass es schon mit uns fertig ist.« Er hielt inne. Sein Anzug begann, sich abzulösen. »Aber das heißt nicht, dass wir ihm den Willen auch tun müssen.«
    Ich konnte sein Zögern verstehen. Immerhin war er im Gegensatz zu uns bereits einmal vom Blutturm verletzt worden.
    Unter den Ultra-Anzügen, mit denen wir bis hierher gekommen waren, hatten wir von den leichteren Ausführungen so viel angelegt wie nur möglich. Es handelte sich dabei um hautenge Overalls von halbwegs modernem Schnitt, aber verglichen mit der Ausrüstung der Ultras die reinen Museumsstücke. Die Helme und große Teile der Atemgeräte waren schon vorher zu sperrig gewesen, deshalb hatten wir sie uns auf den Rücken geschnallt. Der Blutturm hatte das trotz meiner Bedenken geduldet, aber ich blieb mir deutlich bewusst, dass wir noch längst nicht alle Regeln des Spiels kannten, das er mit uns trieb.
    Wir brauchten nur drei oder vier Minuten, um die sperrigen Anzüge aus- und die neuen anzuziehen; die meiste Zeit mussten wir für Statusprüfungen verwenden. Mit Ausnahme von Hirz hatten wir alle vielleicht eine Minute lang die Luft des Blutturms geatmet.
    Sie war blutwarm und feucht und hatte einen strengen Geruch, der ein wenig an Maschinenöl erinnerte.
    Alle waren erleichtert, als die kalte, geruchlose Luft aus den Rucksackaggregaten in die Helme strömte.
    »He.« Hirz, die Einzige von uns, die noch den ursprünglichen Anzug trug, kniete nieder und berührte den Boden. »Was sagt man dazu?«
    Ich folgte ihrem Beispiel und drückte meine Hand im dünnen Handschuh auf die Fläche.
    Die Vibrationen stiegen und fielen sehr viel stärker, so als hätten wir das Gebilde mit dem Ablegen unserer harten Schutzschalen in Erregung versetzt.
    »Man könnte meinen, das Scheißding kriegt einen Steifen«, sagte Hirz.
    »Gehen wir weiter«, meinte Childe. »Wir sind immer noch geschützt – nur nicht mehr so wirkungsvoll wie zuvor –, aber das spielt keine Rolle, solange wir auch weiterhin unseren Verstand gebrauchen.«
    »Genau das macht mir Sorgen. Kein Mensch, der bei Verstand ist, würde an dieses verdammte Ding näher herangehen, als er pissen kann.«
    »Und was verrät uns das über Sie selbst, Hirz?«, fragte Celestine.
    »Dass ich habgieriger bin, als Sie ahnen«, gab Hirz zurück.
    Wir kamen ziemlich rasch durch die nächsten elf Räume. Hin und wieder konnten wir durch ein Buntglasfenster einen Blick auf Golgathas Oberfläche werfen. Sie schien inzwischen sehr tief unter uns zu liegen. Nach Forquerays Schätzung hatten wir seit dem Betreten des Turms fünfundvierzig Höhenmeter zurückgelegt. Obwohl noch weitere zweihundert Höhenmeter – der weitaus größere Teil des Anstiegs – vor uns lagen, schien es zum ersten Mal möglich, dass wir es schaffen könnten. Das hing natürlich von verschiedenen Voraussetzungen ab. Erstens dürften die Aufgaben zwar ständig schwieriger, aber nicht unlösbar werden. Und zweitens müssten die Türen,

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