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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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transplantieren können. Falls Ihnen das nicht zusagte, brauchte ich Ihren Stumpf – mit einer einfachen Stammzellenmanipulation – nur so zu programmieren, dass er von sich aus eine Hand regenerierte. Aber was hätten Sie davon? Sie würden sie wahrscheinlich gleich bei der nächsten Strafaktion wieder verlieren. So verlieren Sie nur Technik – und das ist weit weniger traumatisch.«
    »Für Sie ist das alles ein Heidenspaß«, sagte Hirz. »Nicht wahr?«
    »Ich müsste lügen, wollte ich es bestreiten«, sagte Trintignant. »Wenn man so lange wie ich auf freiwillige Versuchspersonen verzichten musste, ist es nur natürlich, sich zu freuen, wenn einem das Schicksal eine kleine Gelegenheit schenkt, sein Handwerk auszuüben.«
    Hirz nickte mit wissendem Gesichtsausdruck. Sie hatte, wie ich mich erinnerte, bei unserer ersten Begegnung noch nichts von Trintignant gehört, sich aber dann prompt und sehr schnell eine Meinung über ihn gebildet. »Aber Sie werden sich nicht mit einer Hand zufrieden geben, nicht wahr? Ich habe mich über Sie informiert, Doc. Nach jenem ersten Treffen in Childes Haus habe ich mich in einige der medizinischen Archive eingehackt, die von den Stoner-Behörden immer noch nicht freigegeben werden, weil sie einfach zu beunruhigend wären. Sie haben wirklich nichts ausgelassen, wie? In diesen Dateien habe ich Dinge gesehen – ihre Opfer –, die mir den Schlaf raubten.«
    Und dennoch war sie mitgekommen, dachte ich bei mir. Die von Childe ausgesetzte Belohnung war offenbar so verlockend gewesen, dass sie dafür alle Vorbehalte überwand und sich mit Trintignant sogar in einem Raum aufhielt. Die Erwähnung der medizinischen Archive ließ mich allerdings stutzen. Schon die öffentlich zugänglichen Dateien hatten mehr als genug Gräuel für einen durchschnittlichen Albtraum enthalten. Wenn ich mir vorstellte, dass Trintignants grässlichste Verbrechen niemals restlos bekannt gegeben worden waren, überlief es mich eiskalt.
    »Ist das wahr?«, fragte ich. »Gab es wirklich noch Schlimmeres?«
    »Das kommt darauf an«, sagt Trintignant. »Bei einigen Versuchspersonen ging ich mit meinen Experimenten weiter, als allgemein bekannt ist, wenn Sie das meinen. Aber ob ich in meinen Augen jemals die wahren Grenzen erreichte? Nein. Daran wurde ich immer gehindert.«
    »Vielleicht bis heute?«, fragte ich.
    Die starre Silbermaske wandte sich einem nach dem anderen zu. »Mag sein. Aber ich bitte Sie, sich Folgendes zu überlegen. Ich kann Ihnen sauber und mit einem Minimum an Komplikationen alle Gliedmaßen abnehmen. Die Amputate können tiefgekühlt gelagert und so lange durch Prothesen ersetzt werden, bis wir das gesteckte Ziel erreicht haben.«
    »Vielen Dank …« Ich sah die anderen an. »Aber ich denke, wir werden auf Ihr Angebot verzichten, Doktor.«
    Trintignant streckte uns in einer Geste der Großmut die flachen Hände entgegen. »Sollten Sie Ihre Meinung ändern, so stehe ich gern zu Ihrer Verfügung.«
    Vor der Rückkehr in den Turm verbrachten wir einen vollen Tag im Shuttle. Ich war todmüde gewesen, aber als ich endlich einschlief, versank ich in ähnlich wirren Träumen, wie Childe sie uns während des Übergangs in den Kälteschlaf in die Köpfe gepumpt hatte. Empört erwachte ich. Ich fühlte mich hintergangen und beschloss, ihn darauf anzusprechen.
    Doch dann wurde ich von etwas anderem abgelenkt.
    Mein Handgelenk hatte sich verändert. Dicht unter der Haut ertastete ich ein hartes Rechteck, das dunkel durchschimmerte. Ich drehte die Hand hin und her und bewunderte das Objekt. Seine Geradlinigkeit war unübersehbar – und irgendwie unheimlich. Als ich mich umsah, drängten sich mir auch alle anderen Formen meiner Umgebung in dieser Unmittelbarkeit auf. Ich konnte nicht sagen, was mich mehr störte, das fremde Objekt unter meiner Haut oder meine unnatürliche Reaktion darauf.
    Schlaftrunken stolperte ich in das Gemeinschaftszelt, wo Childe und Celestine bereits beisammen saßen. Ich zeigte ihm mein Handgelenk.
    Bevor Childe antworten konnte, sah Celestine mich an. »Du hast also auch eins«, sagte sie und zeigte mir, dass sie ein ähnliches Gebilde unter der Haut hatte. Die Form reimte sich – ich konnte es nicht anders ausdrücken – mit der Wandvertäfelung und ihren Unebenheiten. »Was hältst du davon, Richard?«, fragte sie dann.
    »Es ist ein ziemlich sonderbares Gefühl.«
    »Das hast du Childe zu verdanken. Er hat uns die Dinger eingepflanzt. So ist es doch, Sie verlogene

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