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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Hirz und trat zurück. Rechtschaffene Empörung loderte aus ihren Augen.
    »Auf keiner«, sagte ich. »Ich will nur alles tun, was nötig ist, um diesen Blutturm zu schlagen.«
    Hirz starrte Childe zornig an. »Na schön. Ausnahmsweise. Aber machen Sie so etwas ja nicht noch einmal, sonst …«
    Selbst in diesem Moment war klar, dass Hirz zum gleichen Ergebnis gekommen war wie ich: für die Aufgaben, vor die uns der Turm wahrscheinlich noch stellen würde, war es besser, sich mit den Maschinchen abzufinden, anstatt zu verlangen, dass sie wieder ausgeschwemmt wurden.
    Eine Frage wollte mir freilich nicht mehr aus dem Kopf.
    Hätte ich die Nanomaschinen auch so bereitwillig akzeptiert, bevor sie sich in meinem Gehirn breit gemacht hatten, oder wurde meine Haltung bereits von ihnen beeinflusst?
    Ich hatte keine Ahnung.
    Aber ich verschob es auf später, mir darüber Gedanken zu machen.

F ünf
     
     
    »Drei Stunden«, strahlte Childe. »Beim letzten Mal haben wir bis hierher neunzehn Stunden gebraucht. Das hat doch sicher etwas zu bedeuten?«
    »Natürlich«, gab Hirz abfällig zurück. »Es bedeutet, dass es ein Kinderspiel ist, wenn man die Lösungen kennt.«
    Wir standen vor der Tür, an der Celestine beim letzten Mal ihren Fehler gemacht hatte. Sie hatte soeben das richtige topologische Symbol gedrückt, und die Tür war aufgeglitten, um uns in den nächsten Raum einzulassen, einen Raum, den wir bisher noch nicht betreten hatten. Bisher hatten wir nur Aufgaben gelöst, die wir bereits kannten, von jetzt an hatten wir wieder mit neuen Herausforderungen zu rechnen. Der Blutturm war offenbar weniger daran interessiert, uns einfach einen Aufgabentyp in immer neuen Variationen vorzulegen, sondern suchte vielmehr die Grenzen unseres Verstandes zu erforschen.
    Er wollte uns nicht unter Druck setzen, er wollte uns zerbrechen.
    Ich sah ihn in Gedanken immer mehr als intelligentes Wesen: neugierig, geduldig und – wenn ihm danach zumute war – zu unermesslicher Grausamkeit fähig.
    »Was ist da drin?«, fragte Forqueray.
    Hirz hatte den noch unerforschten Raum als Erste betreten.
    »Ich will verdammt sein, wenn es nicht wieder ein Rätsel ist.«
    »Können Sie es beschreiben?«
    »Verrücktes Gekrakel, würde ich sagen.« Sie schwieg ein paar Sekunden lang. »Ja. Wieder Formen in vier Dimensionen. Celestine – wollen Sie sich das mal ansehen? Ich glaube, das ist genau Ihre Richtung.«
    »Irgendeine Idee, worum es bei der Aufgabe geht?«, fragte Celestine.
    »Scheiße, keine Ahnung. Hat irgendwie mit Streckungen zu tun, würde ich meinen …«
    »Topologische Deformationen«, murmelte Celestine und folgte Hirz in den Raum.
    Die beiden studierten ein paar Minuten lang die Symbole auf dem Türrahmen und berieten sich wie zwei erfahrene Kunstkritiker.
    Beim letzten Durchlauf hatten Hirz und Celestine kaum etwas gemeinsam gehabt: jetzt war ich erschüttert, wie viel Hirz erfasste. Dank der Maschinen, die Childe uns in den Schädel gepumpt hatte, war bei uns allen – vielleicht mit Ausnahme von Trintignant, der die Therapie vermutlich nicht bekommen hatte – das mathematische Verständnis gewachsen, aber die Wirkung war in der Art, im Grad und in der Stabilität unterschiedlich. Mich überkamen die brillanten Erkenntnisse unversehens wie in Fieberwellen, vergleichbar den Inspirationen eines opiumsüchtigen Dichters. Forqueray zeigte erstaunliche Fähigkeiten in der Arithmetik, er brauchte eine Riesenmenge von Objekten nur kurz anzusehen, um ihre Zahl bestimmen zu können.
    Doch am dramatischsten von allen waren die Veränderungen bei Hirz. Sogar Childe war verblüfft. Beim zweiten Gang durch den Turm hatte sie die Lösungen vieler Aufgaben mit einem Blick intuitiv erfasst, und ich war sicher, dass sie sich nicht in jedem Fall an die richtige Antwort erinnert hatte. Auch als wir uns zu den Aufgaben vorarbeiteten, die selbst Celestine Schwierigkeiten bereitet hatten, konnte Hirz den Kern des Problems immer noch erkennen, selbst wenn eine detaillierte Beschreibung in der formalen Sprache der Mathematik den Rahmen ihrer Fähigkeiten sprengte.
    Und wo sie noch keinen Weg zur richtigen Lösung sah, konnte sie immerhin ein bis zwei Angebote ausschließen, die eindeutig falsch waren.
    »Hirz hat Recht«, sagte Celestine nach einer Weile. »Es geht um topologische Deformationen, Streckungen von Festkörpern.«
    Wieder sahen wir projizierte Schatten vierdimensionaler Gitterstrukturen. Auf der rechten Seite der Tür waren allerdings

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