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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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schlechter Mensch. Abartig, ja. Mit besonderen Neigungen, sicherlich. Aber, und das möchte ich mit allem Nachdruck betonen, kein Monster.«
    »Und Ihre Opfer, Doktor?«
    »Ich war stets darauf bedacht, zu allem, was ich ihnen zufügte …« – er verbesserte sich – »für alle Eingriffe, die ich an ihnen vornahm, ihre Einwilligung zu erhalten.«
    »In den Archiven steht das aber anders.«
    »Und wie kämen wir dazu, den Archiven zu widersprechen?« Das Licht spielte über seine Maske und verstärkte das halbe Lächeln, das niemals erlosch. »Wahrhaftig, wie kämen wir dazu?«
    Als Trintignant gegangen war, wandte ich mich an Celestine und sagte: »Ich werde in den Turm zurückkehren. Das ist dir doch klar?«
    »Ich dachte es mir, aber ich hoffe immer noch, dich davon abbringen zu können.« Sie betastete mit ihrer heilen Hand das harte kleine Ding, das Trintignant auf den Tisch gelegt hatte. Was immer der Doktor zwischen den Leichenteilen gefunden hatte, sah aus wie ein bizarr geformter schwarzer Stein, und ich fragte mich, warum er es wohl zurückgelassen hatte.
    Dann sagte ich: »Ich denke, das brauchst du gar nicht erst zu versuchen. Von jetzt an wird die Sache zwischen Childe und mir entschieden. Er muss gewusst haben, dass wir an einen Punkt kommen würden, an dem ich nicht mehr zurück könnte.«
    »Koste es, was es wolle?«, fragte Celestine.
    »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.«
    Sie wiegte nachdenklich den Kopf. »Jetzt hat er dich wirklich bei der Ehre gepackt, wie?«
    »Nein«, sagte ich. Ich hatte ein perverses Bedürfnis, meinen alten Freund zu verteidigen, obwohl ich wusste, dass Celestine vollkommen Recht hatte. »Letzten Endes war es nicht Childe. Es war der Blutturm.«
    »Bitte, Richard. Überlege dir das sehr gründlich.«
    Ich versprach es ihr. Aber wir wussten beide, dass es eine Lüge war.

Neun
     
     
    Nur Childe und ich kehrten zurück.
    Gnadenlos wie ein Denkmal ragte der Turm vor uns auf. Ich schaute daran empor und sah alles mit so verblüffender, diamantener Klarheit, als hätte sich ein grauer Schleier vor meinen Augen gelichtet. Tausende von Einzelheiten, Farbtönen, Schattierungen stürmten auf mich ein. Nur eine ganz leichte Pixelierung -immer dann, wenn ich meinen Blickwinkel zu drastisch veränderte – verriet mir, dass ich nicht mit meinen normalen Augen, sondern mit cybernetischen Prothesen sah.
    Man hatte uns die Augäpfel entnommen, die Augenhöhlen gesäubert und weitaus leistungsfähigere Sensoren eingesetzt, die mit unserem visuellen Kortex verbunden wurden. Die Augäpfel blieben, wie groteske Delikatessen in Glaskrügen schwimmend, im Shuttle zurück. Sobald wir den Blutturm besiegt hatten, konnte man sie reimplantieren.
    »Warum keine Brille?«, hatte ich gefragt, als Trintignant uns seine Pläne vorlegte.
    »Zu sperrig und leicht wegzureißen. Wir wissen, wie scharf der Blutturm auf Metall ist. Von jetzt an sollte alles, was lebenswichtig ist, ein Teil von uns sein – nicht nur wie ein Kleidungsstück, sondern wie ein Organ.« Der Doktor legte seine Silberfinger mit den Spitzen aneinander. »Falls Sie das allzu abstoßend finden, würde ich empfehlen, sich jetzt geschlagen zu geben.«
    »Was ich abstoßend finde, entscheide ich immer noch selbst«, sagte ich.
    »Und was weiter?«, fragte Childe. »Ohne Celestine müssen wir die Aufgaben allein lösen.«
    »Ich werde die Dichte der Nanomaschinen in Ihren Gehirnen erhöhen«, sagte Trintignant. »Sie werden ein Netz von Fulleren-Röhren bilden und mit diesen künstlichen neuronalen Verbindungen die vorhandene Synapsentopologie überlagern.«
    »Wie viel wird uns das nützen?«
    »Durch die Fulleren-Röhren werden Nervensignale hundert Mal schneller übertragen als über die vorhandenen synaptischen Bahnen. Dadurch wird ihre neurale Verarbeitungsgeschwindigkeit erheblich gesteigert und das subjektive Zeitgefühl verlangsamt.«
    Entsetzt und fasziniert zugleich, starrte ich den Doktor an. »Das können Sie?«
    »Es ist sogar recht einfach. Die Synthetiker arbeiten schon seit dem Transrationalismus mit dem Verfahren, und ihre Methoden sind umfassend dokumentiert. Ich kann erreichen, dass die Zeit für Sie dahinkriecht wie eine Schnecke. Der Turm gibt Ihnen vielleicht nur zwanzig Minuten für jeden Raum, aber ich kann bewirken, dass Ihnen diese Spanne wie mehrere Stunden oder sogar wie ein oder zwei Tage vorkommt.«
    Ich wandte mich an Childe. »Und du glaubst, das genügt?«
    »Ich denke, es ist um einiges besser als

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