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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Celestine.
    »Ich möchte nur sehen, was dieses Ding tatsächlich …«
    Die Trosse zuckte noch einmal, dann schob sie sich rasch auf Childe zu. Er rettete sich geschickt mit einem Sprung, und sie glitt unter seinen Füßen hindurch. Jetzt schlug sie wie eine Peitsche ständig auf den Boden. Wir drückten uns an die Wände. Nachdem das Seil Childe verfehlt hatte, zog es sich in die Mitte des Raums zurück und zischte wütend. Es sah viel länger und dünner aus als eben noch, als hätte es sich auseinander gezogen.
    »Childe«, sagte Celestine. »In fünf Sekunden treffe ich die Entscheidung, ob es Ihnen passt oder nicht.«
    »Bitte, warten Sie noch!«
    Die Trosse bewegte sich jetzt mit rasender Geschwindigkeit und bäumte sich dabei auf. Damit war ihr Aktionsraum nicht mehr nur auf wenige Zentimeter über dem Boden begrenzt. Die Zuckungen waren so schnell, dass das Auge sie quasi zu einem festen Körper verschmolz: einer flimmernden, unregelmäßig geformten Säule aus pfeifendem Metall. Ich sah beschwörend zu Celestine hinüber, wollte sie zwingen, die Hand auf den Rahmen zu legen, ob Childe einverstanden war oder nicht. So sehr ich seine Faszination verstehen konnte – auch ich konnte mich dem Anblick kaum entziehen –, für meinen Geschmack ging seine Neugier doch etwas zu weit.
    »Celestine …«, setzte ich an.
    Doch dann ging alles blitzschnell: die Säule fuhr einen silbergrauen Fangarm – eine dünne Drahtschlinge – aus, der sich zweimal um Celestines Arm legte, den gleichen, an dem Trintignant bereits sein Können erprobt hatte. Celestine war starr vor Entsetzen. Die Trosse spannte sich und schnitt ihr den Arm einfach ab. Schreiend sank sie zu Boden.
    Die Schlinge zog den Arm in die Mitte des Raums und verschwand damit in der zischenden, flimmernden Säule.
    Ich wusste noch, auf welches Symbol sie gezeigt hatte, und stürzte zur Tür. Der Wirbel schickte eine Schlinge nach mir aus, aber ich warf mich gegen die Wand, und die Schlinge streifte nur die Vorderseite meines Anzugs, bevor sie zurückschnellte. Winzige Fleisch- und Knochenteile rieselten aus der Säule. Dann schoss eine neue Schlinge heraus, fiel über Hirz, legte sich um ihre Taille und zog sie in die Mitte.
    Sie wehrte sich verzweifelt – schlug mit den Armen, stemmte die Füße ein –, aber es half nichts. Ihre Hilferufe gingen über in schrille Schreie.
    Ich hatte die Tür erreicht.
    Zögernd näherte ich meine Hand den Symbolen. War meine Erinnerung richtig, oder hatte Celestine auf ein anderes Zeichen gedeutet? Sie sahen jetzt alle so gleich aus.
    Doch Celestine, die immer noch ihren abgetrennten Arm an sich presste, nickte eifrig.
    Ich drückte.
    Dann starrte ich die Tür an, als wollte ich die Öffnung erzwingen. Wenn sich ihre Entscheidung nach alledem nun doch als falsch herausstellte? Der Turm steigerte die Spannung mit geradezu sadistischem Vergnügen. Hinter mir hörte ich immer noch das wütende Zischen der wirbelnden Trosse. Und noch ein Geräusch, über das ich lieber nicht nachdenken wollte.
    Plötzlich trat Stille ein.
    Aus dem Augenwinkel sah ich die Trosse in der Wand verschwinden wie eine Schlangenzunge, nachdem sie Witterung aufgenommen hatte.
    Vor mir schob sich die Tür auf.
    Celestine hatte die Aufgabe richtig gelöst. Ich ging in mich. Eigentlich sollte ich Erleichterung empfinden, und ganz schwach war da auch etwas dergleichen. Wenigstens konnten wir jetzt ungehindert zum Ausgang zurück. Weitergehen würden wir sicherlich nicht, und ich wusste auch, dass wir nicht alle mit nach draußen nehmen würden.
    Ich wappnete mich für den Anblick und drehte mich um.
    Childe und Trintignant waren unversehrt.
    Celestine versorgte ihre Verletzung bereits selbst und band ihren Armstumpf mit einer Staubinde ab, die in der Notausrüstung ihres Anzugs enthalten war.
    Sie hatte kaum Blut verloren, und auch die Schmerzen schienen erträglich zu sein.
    »Wie geht es dir?«, fragte ich.
    »Ich kann noch zurückgehen, Richard.« Mit einer Grimasse zog sie die Staubinde fester. »Das kann man von Hirz nicht mehr behaupten.«
    »Wo ist sie?«
    »Der Turm hat sie geholt.«
    Celestine zeigte auf die Stelle, wo eben noch der Wirbel gewesen war. Auf dem Boden lagen – dicht unter der Stelle, wo die Trosse durch die Luft gefegt war –, ordentlich zu einem Häufchen aufgeschichtet, menschliche Gewebeteile.
    »Wo ist Celestines Hand?«, fragte ich. »Und Hirz’ Anzug?«
    »Die Trosse hat alles in Stücke gerissen«, sagte Childe. Er war

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