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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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totenbleich.
    »Und wo ist sie jetzt?«
    »Es ging sehr schnell. Man sah nur … einen Schatten. Hirz wurde auseinander genommen, und die Teile verschwanden in den Wänden. Sie kann nicht viel davon gespürt haben.«
    »Das hoffe ich bei Gott.«
    Doktor Trintignant bückte sich und untersuchte die Überreste.

Acht
     
     
    Draußen in den langen, stahlgrauen Schatten, wo es weder Morgen noch Abend war, fanden wir die Teile von Hirz, für die der Turm keine Verwendung gehabt hatte.
    Sie steckten zur Hälfte im Staub wie die Klippen und Rundungen einer Urlandschaft im Kleinformat. Mein Verstand trieb schauerliche Spiele mit den Formen und machte aus grausam verstümmelten Fragmenten menschlicher Anatomie abstrakte Skulpturen: vielgliedrige Gebilde, die das Licht in verschiedenen Winkeln einfingen und gefällige Schatten warfen. Einige Stofffetzen waren erhalten geblieben, doch alle metallischen Bestandteile ihres Anzugs hatte der Blutturm an sich genommen. Sogar ihren Schädel hatte er aufgeschlagen und ausgesaugt, um an die wenigen Edelmetallstückchen zu gelangen, die sie im Kopf getragen hatte.
    Und was er nicht gebrauchen konnte, hatte er weggeworfen.
    »Wir können sie nicht einfach hier liegen lassen«, sagte ich. »Wir müssen etwas tun, sie begraben … oder zumindest irgendeine Form von Gedenkstein aufstellen.«
    »Den hat sie schon«, erklärte Childe.
    »Nämlich?«
    »Den Blutturm. Und je schneller wir ins Shuttle kommen, desto schneller können wir Celestine versorgen und zurückkehren.«
    »Einen Moment bitte«, bat Trintignant, der ein zweites Häufchen menschlicher Überreste durchwühlte.
    »Die haben nichts mit Hirz zu tun«, sagte Childe.
    Trintignant erhob sich und steckte etwas in die Tasche seines Werkzeuggürtels.
    Was immer es war, es war klein; nicht größer als eine Murmel oder ein Steinchen.
    »Ich will nach Hause«, sagte Celestine, als wir im sicheren Shuttle saßen. »Und versuche nicht, mich davon abzubringen. Das ist mein letztes Wort.«
    Wir waren allein in ihrem Zelt. Nachdem Childe vergeblich versucht hatte, sie zum Bleiben zu überreden, hatte er mich geholt, in der Hoffnung, ich könnte mehr erreichen. Aber ich war nicht mit dem Herzen dabei. Ich hatte erlebt, wozu der Turm fähig war, und ich dachte gar nicht daran, die Verantwortung für anderes als mein eigenes Blut auf mich zu nehmen.
    »Lass wenigstens deine Hand von Trintignant versorgen«, sagte ich.
    »Ich brauche keinen Stahl mehr«, sagte sie und strich über die glänzend blaue chirurgische Manschette, die ihren Armstumpf verschloss. »Bis wir wieder in Chasm City sind, komme ich auch ohne Hand zurecht. Und dort kann man mir eine neue züchten, während ich schlafe.«
    Wir wurden von einer melodischen Stimme unterbrochen. Trintignants ausdruckslose Silbermaske schob sich durch die Trennwand in Celestines Blasenzelt. »Wenn Sie erlauben … es könnte sein, dass Sie inzwischen die beste medizinische Versorgung, die Sie vernünftigerweise erwarten können, nur noch bei mir bekommen.«
    Celestines Blick wanderte von Childe zum Doktor und weiter zu der glänzenden chirurgischen Manschette.
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Nichts weiter. Ich denke nur an eine Nachricht von zu Hause, die Childe mir zugänglich machte.« Ohne eine Aufforderung abzuwarten, trat Trintignant vollends ein und verschloss die Trennwand hinter sich.
    »Worum geht es, Doktor?«
    »Eine ziemlich beunruhigende Geschichte. Nicht lange nach unserer Abreise kam es in Chasm City zu einer verheerenden Katastrophe. Eine Krankheit befiel alle mikroskopisch kleinen selbstreplizierenden Systeme. Anders ausgedrückt, alles, was von Nanotechnik abhängig war. Die Opfer gingen offenbar in die Millionen …«
    »Das klingt ja so, als würden Sie sich diebisch darüber freuen.«
    Trintignant trat näher an Celestines Liege heran. »Ich weise nur darauf hin, dass das, was wir unter fortgeschrittener Medizin verstehen, in der Stadt derzeit nicht zu bekommen sein dürfte. Natürlich kann sich vieles ändern, bis wir zurück sind …«
    »Dann werde ich wohl darauf hoffen müssen«, sagte Celestine.
    »Auf Ihre Verantwortung.« Trintignant hielt inne und legte einen kleinen harten Gegenstand auf Celestines Tisch. Dann wandte er sich zum Gehen, blieb aber noch einmal stehen und sagte: »Wissen Sie, ich bin daran gewöhnt.«
    »Woran?«, fragte ich.
    »Dass man mir mit Angst und Abscheu begegnet. Weil ich bin, was ich bin, und wegen meiner Taten. Aber ich bin kein

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