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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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spürte einen jähen Schmerz im Bein. Die Kugel beschleunigte weiter. Die Aufschläge klangen wie Gewehrschüsse, die in immer kürzeren Abständen aufeinander folgten.
    Childe war selbst verletzt worden und rief: »Celestine! Eine Entscheidung!«
    Genau in diesem Moment wurde Celestine von der Kugel getroffen. Sie keuchte auf und brach in die Knie. Doch dabei streckte sie die Hand aus und legte sie auf eine der Markierungen auf der rechten Türseite.
    Alles verschwand – die Schüsse – die silbernen Blitze – sogar die Kugel selbst.
    Einige Sekunden lang geschah gar nichts, dann begann sich vor uns die Tür zu öffnen.
    Wir verschaffen uns ein Bild vom Ausmaß der Schäden. Niemand war lebensgefährlich verletzt, aber alle hatten schwere Blutergüsse, und der eine oder andere wahrscheinlich eine Knochenfraktur. Ich war sicher, mir eine Rippe gebrochen zu haben, und Childe verzog das Gesicht, als er versuchte, seinen rechten Knöchel zu belasten. Auch mein Bein tat weh, wo mich die Kugel getroffen hatte, aber ich konnte noch laufen, und nach ein paar Minuten ließ der Schmerz nach. Meine Nanomaschinen und die Mittel, die mir durch den Shunt zugeführt wurden, hatten ihn betäubt.
    »Gottlob hatten wir die Helme wieder aufgesetzt«, sagte ich und betastete eine dicke Beule am Hinterkopf. »Sonst wären wir jetzt Brei.«
    »Könnte mir bitte jemand erklären, was das eben zu bedeuten hatte?«, fragte Celestine, während sie ihre Wunden untersuchte.
    »Vermutlich fand der Turm, wir ließen uns zu viel Zeit«, sagt Childe. »Bis jetzt durften wir uns mit den Aufgaben so lange beschäftigen, wie wir wollten, aber von jetzt an arbeiten wir offenbar gegen die Uhr.«
    »Und wie viel Zeit hat er uns gelassen?«, fragte Hirz.
    »Nachdem sich die letzte Tür geöffnet hatte? Etwa vierzig Minuten.«
    »Dreiundvierzig, um genau zu sein«, sagte Trintignant.
    »Ich rate dringend, uns die nächste Tür vorzunehmen«, sagte Childe. »Wie lange, schätzen Sie, dürfen wir dafür brauchen, Doktor?«
    »Die Obergrenze? Ungefähr achtundzwanzig Minuten.«
    »Das reicht bei weitem nicht aus«, sagte ich. »Wir sollten uns zurückziehen und später wiederkommen.«
    »Nein«, sagte Childe. »Nicht bevor wir verletzt sind.«
    »Sie sind wahnsinnig«, sagte Celestine.
    Doch Childe trat einfach durch die Tür in den nächsten Raum, ohne sie zu beachten. Hinter uns schloss sich der Ausgang.
    »Nicht wahnsinnig«, sagte er dann und sah sich nach uns um. »Nur sehr erpicht darauf weiterzumachen.«
    Nie gab es etwas, das sich wiederholte.
    Konzentriert bis in die Fingerspitzen, traf Celestine so schnell sie konnte ihre Entscheidung. So verschaffte sie uns eine Frist von fünf bis sechs Minuten, bevor der Turm – nach Trintignants Schätzung – eine Antwort verlangen würde.
    »Wir warten, so lange es geht«, sagte Childe mit einem fragenden Blick in die Runde. »Celestine kann ihre Beweisführung inzwischen noch einmal durchgehen. Wozu dem Drecksding eine Lösung anbieten, bevor es sein muss; dafür steht zu viel auf dem Spiel.«
    »Ich bin mir sicher«, sagte Celestine und zeigte auf den Teil des Türrahmens, auf den sie drücken wollte.
    »Dann nützen Sie die fünf Minuten, um einen klaren Kopf zu bekommen. Tun Sie, was Sie wollen. Aber treffen Sie die Entscheidung nicht, bevor man uns dazu zwingt.«
    »Wenn wir diesen Raum hinter uns haben, Childe …«
    »Ja?«
    »… kehre ich um. Sie können mich nicht aufhalten.«
    »Sie werden nicht gehen, Celestine, das wissen Sie selbst am besten.«
    Sie sah ihn wütend an, sagte aber nichts. Nun folgten die vermutlich längsten fünf Minuten meines Lebens. Keiner von uns wagte zu sprechen, niemand wollte irgendetwas anfangen – und sei es nur ein Wort –, aus Angst, die Kugel oder irgendetwas anderes könnte wiederkommen. Fünf Minuten lang hörte ich nur unsere Atemzüge; und im Hintergrund das grässlich langsame Summen des Blutturms.
    Dann schob sich etwas aus einer Wand und fiel zuckend zu Boden.
    Es war ein zwei Zentimeter dickes, drei Meter langes, biegsames Drahtseil.
    »Zurücktreten!«, befahl Childe.
    Celestine sah über die Schulter. »Soll ich nun drücken oder nicht?«
    »Erst wenn ich es sage. Keinen Augenblick früher.«
    Die Trosse zuckte weiter, rollte sich ein und aus und zappelte wie ein verrückt gewordener Aal. Childe beobachtete sie fasziniert. Die Schlängelbewegungen wurden stärker, die Drähte rieben mit leisem Knistern aneinander.
    »Childe?«, fragte

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