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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Antwort sofort sah. Im Allgemeinen konnte er mir auch begreiflich machen, wie er zu seiner Schlussfolgerung gekommen war, aber manchmal blieb mir nichts anderes übrig, als seinem Urteil zu vertrauen oder zu warten, bis meine eigenen trägen Denkprozesse hinterher gehinkt waren.
    Und darüber machte ich mir so meine Gedanken.
    Childe war brillant, aber ich ahnte, dass er seine Brillanz nicht nur den zusätzlichen kognitiven Schichten verdankte, die Trintignant in seinem Gehirn aufgebracht hatte. Sein Selbstvertrauen war so groß, dass ich mich fragte, ob er sich bisher nur zurückgehalten und es vorgezogen hatte, die Entscheidungen uns anderen zu überlassen. In diesem Fall wäre er mit verantwortlich gewesen für die Todesfälle, die wir zu beklagen hatten.
    Allerdings, ermahnte ich mich selbst, hatten wir uns alle freiwillig gemeldet.
    Drei Minuten vor Ablauf der Frist glitt die Tür auf, und der nächste Raum wurde sichtbar. Im gleichen Augenblick öffnete sich auch, wie immer an diesem Punkt, die Tür, durch die wir eingetreten waren. Wenn wir wollten, konnten wir jetzt gehen. In diesem Moment hatten Childe und ich bisher noch in jedem Raum entschieden, ob wir weitermachen wollten. Es bestand immer die Gefahr, dass der nächste Raum unser Tod sein würde – doch jede Sekunde, die wir zögerten, bevor wir die Tür durchschritten, war eine Sekunde weniger bei der Lösung der nächsten Aufgabe.
    »Und?«, fragte ich.
    Die Antwort kam knapp und wie mechanisch. »Weiter.«
    »Diesmal fehlten nur noch drei Minuten, Childe. Die Aufgaben werden schwerer. Verdammt viel schwerer.«
    »Das weiß niemand besser als ich.«
    »Vielleicht sollten wir zurückgehen. Neue Kräfte sammeln und dann wiederkommen. Dabei verlieren wir nichts.«
    »Das kann man nicht mit Sicherheit sagen. Du weißt nicht, ob der Turm uns auch weiterhin solche Pausen gestattet. Vielleicht hat er bereits genug von uns.«
    »Ich finde trotzdem …«
    Ich hielt inne. Mein neuer Körper knickte mühelos in der Wespentaille ab. Ich hörte Schritte.
    Mein Sehorgan untersuchte das näher kommende Objekt und löste es auf. Eine Gestalt überschritt die Schwelle des vorhergehenden Raums. Eine menschliche Gestalt. Zugegeben, sie hatte sich einigen Veränderungen unterzogen – aber die waren nicht so drastisch wie jene, die Trintignant an mir vorgenommen hatte. Ich beobachtete sie. Sie kam nur quälend langsam vorwärts. Auch unsere eigenen Bewegungen erschienen mir langsam, aber im Vergleich dazu waren sie blitzschnell.
    Ich tastete nach einer Erinnerung; einem Namen; einem Gesicht.
    Mein Verstand war so voll gepackt mit Programmen zum Knacken mathematischer Nüsse, dass er derart triviale Informationen nicht sofort abrufen konnte.
    Aber irgendwann tat er mir den Gefallen.
    »Celestine«, sagte ich.
    Ich sprach nicht wirklich. Vielmehr versprühten die zahllosen Sensoren und Scanner in meinen Augenhöhlen kurze Laserblitze. Unser Verstand war jetzt so stark beschleunigt, dass wir nicht mehr verbal kommunizieren konnten, doch obwohl sie selbst so viel langsamer war, geruhte sie mir zu antworten.
    »Ja, ich bin es. Bist du wirklich Richard?«
    »Warum fragst du?«
    »Weil ich dich und Childe kaum auseinander halten kann.«
    Ich warf einen Blick auf Childe und achtete dabei zum ersten Mal bewusst auf sein Aussehen.
    Trintignant hatte nach so vielen Enttäuschungen endlich freie Hand bekommen, um mit uns anzustellen, was immer er wollte. Daraufhin hatte er uns so viele Maschinen in die Gehirne gepumpt, dass schließlich die Schädelform geändert werden musste, um die Massen aufnehmen zu können. Nun hatten wir elegant verlängerte Köpfe. Dann hatte er uns den Brustkorb geöffnet, vorsichtig Lungen und Herz entfernt und die Organe eingelagert. An die Stelle des einen Lungenflügels trat ein geschlossenes System zur Anreicherung des Blutes mit Sauerstoff, wie es in die Rucksäcke von Raumanzügen eingebaut war. Damit konnten wir uns im Vakuum aufhalten und brauchten auch keine Außenluft zu atmen. Der zweite Lungenflügel wurde durch ein Gerät ersetzt, das gekühlte Flüssigkeit durch ein Röhrensystem leitete und so die überschüssige Wärme abführte, die das Gebräu von Neuralmaschinen in unseren Köpfen erzeugte. Nährstoffsysteme füllten den restlichen Thorax; das Herz war eine kleine fusionsgetriebene Pumpe. Alle anderen Organe – Magen, Eingeweide, Genitalien – hatte er entfernt, desgleichen viele Knochen und Muskeln.
    Die noch vorhandenen Gliedmaßen

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