Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit
zurück in die Geborgenheit des Shuttles. Dort konnte Trintignant mich heilen. Und dann sollte er mich wieder in einen Menschen zurückverwandeln. Er hatte von Anfang an versprochen, dass das möglich sei. Der Mann mochte vieles an sich haben, was mir zuwider war, aber ich traute ihm nicht zu, in diesem Punkt zu lügen. Für ihn wäre es eine Frage der Berufsehre, dass seine Arbeit technisch rückgängig zu machen war.
Celestine hatte sich Childe unter ihren verbliebenen Arm geklemmt und trug ihn. Sie sagte, was von ihm noch übrig sei, wiege nicht schwer, außerdem konnte er sich mit den Vorderpfoten an ihr festhalten. So oft ich sah, wie kläglich der verbliebene Rest tatsächlich war, packte mich das blanke Entsetzen. Und wenn ich mir erst vorstellte, wie viel stärker dieses Entsetzen gewesen wäre, wenn mich die Nanomaschinen nicht bereits betäubt hätten, schüttelte es mich geradezu.
Wir hatten vielleicht ein Drittel der Räume hinter uns gebracht, als er ihr entglitt und mit lautem Gepolter zu Boden fiel.
»Was machen Sie da?«, fragte Celestine.
»Was glauben Sie denn?« Er stemmte seinen halben Rumpf mit den Vorderpfoten in die Höhe. Die Wunde begann sich bereits zu schließen. Die Diamanthaut zog sich zusammen und dichtete das Leck ab.
Nicht mehr lange, und man könnte glauben, er wäre schon immer so gewesen.
Celestine ließ sich mit der Antwort Zeit. »Wenn ich ehrlich sein soll, ich weiß es nicht.«
»Ich gehe zurück. Ich mache weiter.«
Ich lehnte noch immer an der Wand. »Das kannst du nicht«, sagte ich. »Du gehörst in ärztliche Behandlung. Mein Gott, du bist halbiert worden.«
»Das macht nichts«, erklärte Childe. »Ich habe nur einen Teil von mir verloren, den ich früher oder später ohnehin hätte abwerfen müssen. Irgendwann wären die Türen selbst für diesen Hundekörper zu eng geworden.«
»Der Turm wird dich töten«, sagte ich.
»Oder ich werde ihn schlagen. Die Möglichkeit besteht immer noch.« Er drehte sich um, ich hörte sein hinteres Ende über den Boden schleifen, dann schaute er über die Schulter zu uns zurück. »Ich kehre dahin zurück, wo es passiert ist. Ich denke, ihr könnt so lange ungehindert in Richtung Ausgang gehen, bis ich – vielleicht nur kriechend – den letzten Raum betrete, den wir geöffnet haben. Aber ich würde mir an eurer Stelle nicht allzu viel Zeit lassen.« Er sah mich an und schaltete wieder auf Privatfrequenz um. »Noch ist es nicht zu spät, Richard. Noch kannst du mit mir kommen.«
»Nein«, sagte ich. »Du irrst dich. Es ist schon viel zu spät.«
Celestine reichte mir die Hand, und ich schleppte mich mit ihrer Hilfe zur nächsten Tür. »Lass ihn gehen, Richard. Überlass ihn dem Blutturm. Das hat er immer gewollt, und jetzt hat er auch Zeugen dafür.«
Childe schob sich auf die Schwelle der Tür zu dem Raum, den wir eben verlassen hatten.
»Und?«, fragte er.
»Sie hat Recht. Was jetzt kommt, musst du mit dem Blutturm alleine ausmachen. Ich sollte dir wohl Glück wünschen, aber das klingt so unverzeihlich abgedroschen.«
Er zuckte die Achseln – eine der wenigen menschlichen Gesten, die ihm noch geblieben waren. »Dann mag der Wille für das Werk gelten. Und ich versichere dir, wir werden uns wiedersehen, ob es dir passt oder nicht.«
»Hoffentlich«, sagte ich, obwohl ich wusste, dass es dazu niemals kommen würde. »Ich werde Chasm City von dir grüßen.«
»Das kannst du gerne tun. Aber sag nicht zu genau, wo ich bin.«
»Das verspreche ich dir. Roland?«
»Ja?«
»Ich sage dir jetzt besser Lebewohl.«
Childe wandte sich ab, und seine Vorderbeine trugen ihn wie mit raschen Kolbenstößen in die Dunkelheit hinein.
Celestine nahm meinen Arm und half mir zum Ausgang.
Dreizehn
»Du hattest Recht«, erklärte ich, bevor wir das Shuttle erreichten. »Ich wäre ihm tatsächlich gefolgt.«
Celestine lächelte. »Ich bin sehr froh, dass du es nicht getan hast.«
»Darf ich dich etwas fragen?«
»Solange es nichts mit Mathematik zu tun hat.«
»Du hast dich um mich gesorgt, aber was aus Childe wurde, war dir egal?«
»Ich habe mich auch um Childe gesorgt«, erklärte sie entschieden. »Aber ich hielt es für ausgeschlossen, dass einer von uns ihn zur Umkehr überreden könnte.«
»Und das war der einzige Grund?«
»Nein. Ich fand, du hättest etwas Besseres verdient, als von diesem Turm getötet zu werden.«
»Du hast dein Leben riskiert, um mich herauszuholen«, sagte ich. »Das weiß ich zu
Weitere Kostenlose Bücher