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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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geerbt, die samt und sonders in den Räumen des Blutturms eines grausamen Todes gestorben waren. Dabei spielte es so gut wie keine Rolle, dass er wahrscheinlich in keinem Fall den genauen Todesmoment mitbekommen hatte; das machte seine Abstammung kaum weniger monströs. Womöglich waren ja einige der Klon-Vorfahren grässlich verstümmelt aus dem Turm gekrochen, dem Tode nahe, aber noch lebendig genug, um sich einem letzten Trawl zu unterziehen?
    Angeblich waren diejenigen Trawls die schärfsten, die im Augenblick des Todes abgenommen wurden, wenn es nicht mehr darauf ankam, ob das gescannte Bewusstsein Schaden nahm.
    »Celestine hat Recht«, sagte ich. »Du bist schlimmer als das, was du besiegen willst.«
    Childe sah mich prüfend an, die Sensorenbündel bewegten sich hin und her wie zwei Gewehrläufe. »Hast du in letzter Zeit mal in einen Spiegel geschaut, Richard? Du bist auch nicht mehr ganz so, wie die Natur dich einmal geschaffen hatte.«
    »Das ist nur äußerlich«, sagte ich. »Ich habe noch meine eigenen Erinnerungen. Ich habe mich nicht …« -ich stockte. Mein Gehirn war so sehr damit beschäftigt, das Rätsel des Blutturms zu lösen, dass ich Schwierigkeiten hatte, das rechte Wort zu finden – »pervertieren lassen«, schloss ich endlich.
    »Schön.« Childe senkte den Kopf; eine Geste der Trauer, der Resignation. »Gebt meinetwegen auf, wenn ihr wollt. Ich werde bleiben und den Kampf zu Ende führen.«
    »Ja«, sagte ich. »Das werde ich wohl tun. Celestine? Bring uns durch diese Tür, dann gehe ich mit dir zurück. Überlassen wir Childe diesem Höllenturm.«
    Celestine stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. »Gott sei Dank, Richard. Ich hatte nicht gehofft, dich so leicht überzeugen zu können.«
    Ich deutete mit dem Kopf auf die Tür, eine stumme Bitte, die Lösung aufzuzeigen, die sie für die wahrscheinlichste hielt. Ich fand die Aufgabe immer noch teuflisch schwierig, doch als ich mich jetzt wieder darauf konzentrierte, glaubte ich, eine Spur eines Ansatzes zu erkennen, wenn auch noch keine komplette Lösung.
    Aber Childe war noch nicht fertig. »Sie haben keinen Anlass, so überrascht zu sein«, sagte er. »Ich wusste von Anfang an, dass er kapitulieren würde, sobald der Druck zu groß würde. So war er schon immer. Ich dachte, er hätte sich geändert, aber das war Illusion.«
    Ich war empört. »Das ist nicht wahr.«
    »Warum gibst du dann auf, nachdem wir so weit gekommen sind?«
    »Weil es sich nicht lohnt.«
    »Oder nur, weil die Aufgabe zu schwierig, der Kampf zu hart geworden ist?«
    »Hör nicht auf ihn«, sagte Celestine. »Er will dich nur provozieren, damit du ihm weiter folgst. Darum ging es doch von Anfang an, nicht wahr, Childe? Sie glauben, Sie könnten ein Rätsel lösen, an dem bereits achtzehn frühere Versionen von Ihnen gescheitert sind. Achtzehn frühere Versionen, die von diesem Ding abgeschlachtet und in Stücke zerrissen wurden.« Sie sah sich um, als erwarte sie, für diese ketzerische Bemerkung vom Blutturm bestraft zu werden. »Und vielleicht haben Sie sogar Recht. Vielleicht sind Sie der Lösung näher gekommen als alle anderen zuvor.«
    Childe sagte nichts. Vielleicht wollte er ihr nur nicht widersprechen.
    »Aber es würde Ihnen nicht genügen, den Turm einfach nur zu schlagen«, fuhr Celestine fort. »Denn dann hätten Sie keine Zeugen, niemanden, der Sie für Ihre Schläue und Gerissenheit bewundern könnte.«
    »Darum geht es doch gar nicht.«
    »Warum wollten Sie uns denn alle hier haben? Trintignant war Ihnen nützlich, das will ich zugeben. Und auch ich war Ihnen eine Hilfe. Aber letztlich wären Sie auch ohne uns zurechtgekommen. Es wäre mehr Blut geflossen, und vielleicht hätten Sie noch ein paar Klone mehr gebraucht … aber ich bin sicher, Sie hätten es geschafft.«
    »Die Lösung, Celestine.«
    Nach meiner Schätzung blieben uns kaum mehr als zwei Minuten, um unsere Wahl zu treffen: und doch ahnte ich, dass die Zeit reichen würde. Die Aufgabe, die eben noch unlösbar gewesen war, hatte sich mir wie durch Zauberei erschlossen; wie eines jener Stereogramme, die unvermittelt von einem Bild zum anderen springen. Es kam einer religiösen Erfahrung näher, als mir lieb sein konnte.
    »Schon gut«, sagte ich. »Ich sehe die Lösung. Hast du sie auch?«
    »Nicht ganz. Moment noch …« Childe starrte die verschlungenen Symbole unverwandt an. Ich beobachtete die Laserstrahlen aus seinen Augen. Der rote Schein glitt zitternd über die falsche

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