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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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befürchtet hatte. Sie nahm Blickkontakt zu Weir auf, stellte eine wortlose Frage.
    »Das Shuttle ist näher gekommen. Es hat den Knoten zwei Mal überflogen, solange Sie unter Wasser waren. Ich glaube, ich muss es tun, Naqi.«
    Er nahm die Kugel zwischen Daumen und Zeigefinger und schickte sich an, sie ins Wasser fallen zu lassen.
    Naqi zitterte vor Kälte. Auch als sie in Shorts und Hemd schlüpfte, wurde ihr nicht wärmer. Die Pilzflechte flimmerte heftig: die Muster schienen über ihrer Haut zu schweben und leuchteten womöglich noch intensiver als vor dem Schwimmen. Naqi war überzeugt: wenn sie sich noch länger darin aufgehalten hätte – wenn sie bei Mina geblieben wäre –, sie wäre ebenfalls zur Konformalen geworden. Sie hatte die Veranlagung immer in sich getragen, doch jetzt war ihre Zeit gekommen.
    »Bitte warten Sie«, sagte Naqi und hörte selbst, dass sie ihn anflehte wie ein Kind. »Bitte warten Sie, Rafael.«
    »Da ist es wieder.«
    Das Shuttle, ein weißer Fleck, glitt über die Wand aus Schiebermasse. Es war nur fünf oder sechs Kilometer entfernt, viel näher als beim letzten Mal, als Naqi es gesehen hatte. Mit einem Mal hielt es inne und schwebte über der Meeresoberfläche, als hätte es etwas besonders Interessantes entdeckt.
    »Glauben Sie, es weiß, dass wir hier sind?«
    »Es hat einen Verdacht«, sagte Weir und rollte die Kugel zwischen den Fingern.
    »Da!«, sagte Naqi.
    Das Shuttle verharrte immer noch über derselben Stelle. Naqi stand auf, um besser sehen zu können. Sie fürchtete zwar, sich damit zu verraten, aber sie konnte ihre Neugier nicht zügeln. Etwas ging vor. Sie wusste, dass etwas vorging.
    Unter dem Shuttle bäumte sich das Meer auf. Das Wasser war mit Mikroorganismen übersättigt und grün wie Moos. Dann sah Naqi einen Arm aus festem grünem Material wie eine Schlange aus dem Meer schnellen. Er war so dick wie ein Gebäude, das Wasser floss in Sturzbächen an ihm herab. Erstaunlich schnell wuchs er empor und spaltete sich. Die beiden Äste bewegten sich wie eine suchende Hand. Nur kurz schlossen sie sich um das Shuttle, bevor der Arm mit gewaltigem Aufklatschen ins Wasser zurückfiel. Energie entlud sich mit lautem Getöse. Das Shuttle stand immer noch am gleichen Fleck, als hätte es von dem ganzen Geschehen nichts bemerkt. Doch jetzt war der weiße mantaförmige Rumpf mit grünem Schleim in verschiedenen Schattierungen bedeckt.
    Und Naqi begriff: mit dem Shuttle war das Gleiche geschehen wie einst mit Arviat, der versunkenen Stadt. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, in welcher Weise sich Arviat gegen das Meer vergangen, womit es diese Strafe auf sich herabbeschworen hatte, aber immerhin konnte sie sich jetzt vorstellen, wie die Schieber fähig gewesen waren, es unter die Wellen zu ziehen. Sie hatten die Stadt von den Vakuumblasen gerissen, von denen sie in der Luft gehalten wurde. Natürlich hätte man eine solche Katastrophe streng geheim gehalten. Nur eine Hand voll Individuen hätten davon gewusst. Denn sonst hätte sich keine Stadt jemals mehr sicher gefühlt, wenn unter ihr die See wogte und ächzte.
    Aber eine Stadt war kein Shuttle. Selbst wenn die Schiebermaterie anfinge, den Rumpf zu zerfressen, würde sie Stunden brauchen, um gravierende Schäden anzurichten … Und auch das nur, wenn die Ultras über keine besseren Schutzvorrichtungen verfügten als die Keramikverkleidung, mit der man auf Türkis Boote und Maschinen umgab …
    Doch das Shuttle begann plötzlich zu kentern.
    Es legte sich schräg, versuchte wieder auf ebenen Kiel zu gelangen und kippte abermals. Erst im letzten Augenblick begriff sie. Die organische Materie blockierte die Antriebssysteme, sodass sich das Schiff nicht mehr in der Luft halten konnte. Es wurde in einer steilen Spirale, die vom Knoten wegführte, unerbittlich in die Tiefe gezogen. Dicht über der Oberfläche, unmittelbar vor dem Aufprall schoss abermals eine Pseudofaust aus organisierter Materie aus dem Wasser und griff nach dem Rumpf. Es war das Letzte, was Naqi von ihm sah.
    Gespannte Ruhe lag über der Szene. Keine suchenden Maschinen bevölkerten mehr den Himmel. Nur der Rauch, der mit leisem Knistern in Richtung der Seemauer über den Horizont stieg, ließ etwas von den dramatischen Ereignissen dieses Tages erahnen.
    Die Zeit verging, erst eine, dann zehn und schließlich zwanzig Minuten, bevor rasch hintereinander eine Serie von grellen Blitzen aus dem Wasser zuckte.
    »Das war das Shuttle«, staunte Weir.
    Naqi

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