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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Eroberung so exakt und generalstabsmäßig durchführen wie nur möglich.«
    »Und nun?«
    »Nun haben sie sich damit abgefunden, dass nicht alles so sauber und glatt über die Bühne geht.« Er warf mit einer spielerischen Lässigkeit, die Naqi erschreckte, die Kugel von einer Hand in die andere. »Sie meinen es ernst, Naqi. Crane wird jetzt vor nichts mehr zurückschrecken. Sie haben die Explosionen gesehen. Antimateriebomben, stecknadelkopfgroß. Die organische Materie innerhalb des Ringwalls wurde bereits sterilisiert, um zu verhindern, dass sich die Wirkung meiner Waffe weiter ausbreitet. Wenn sie erst wissen, wo wir sind, werden sie auch auf uns eine solche Bombe werfen.«
    »Menschliche Bosheit kann kein Grund sein, den ganzen Ozean auszulöschen.«
    »Es geht nicht um eine Begründung, Naqi. Es handelt sich um eine zwingende Notwendigkeit.«
    In diesem Augenblick blitzte am Horizont etwas auf und wanderte langsam von Osten nach Westen.
    »Das Shuttle«, sagte Weir. »Es sucht nach uns.«
    Wieder kratzte sich Naqi den Arm. Er war verfärbt und juckte.
    Kurz vor Mittag Ortszeit erreichten sie den nächsten Knoten. Das Shuttle flog weiter vor dem Nebelstreifen an der Grenze zwischen Meer und Himmel hin und her und suchte nach ihnen. Manchmal schien es näher zu kommen, dann war es weiter weg, aber ganz verschwand es nie, und Naqi wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bevor es einen eindeutigen Hinweis finden würde, eine chemische oder physikalische Spur im Wasser, die zu seiner Beute führte. Den Rest der Distanz könnte das Shuttle in Sekunden, höchstenfalls einer Minute überwinden, und dann sähen sie und Weir nur noch grelles Weiß, ein reinigendes Fegefeuer. Selbst wenn es Weir noch vor dem Eintreffen des Shuttles gelänge, sein Toxin freizusetzen, es könnte sich nicht mehr weit genug im Wasser verteilen, um den Feuerball zu überleben.
    Warum also zögerte er? Natürlich Minas wegen. Naqi hatte der gesichtslosen Bibliothek gespeicherter Bewusstseine, die zu löschen er bereit gewesen war, einen Namen gegeben. Indem sie ihre Schwester einführte, hatte sie die Einseitigkeit der moralischen Gleichung beseitigt. Nun musste Weir erkennen, dass auch er bei dem, was er tat, nie ganz frei von Schuld bleiben konnte. Er war nicht mehr vollkommen objektiv.
    »Ich sollte es einfach tun«, sagte er. »Mein Zögern, und wäre es nur für eine Sekunde, ist ein Verrat an den Menschen, die mir vertrauen und mich hierher geschickt haben, Menschen, die von Ormazds Gefolgsleuten inzwischen wahrscheinlich zu Tode gequält wurden.«
    Naqi schüttelte den Kopf. »Wenn Sie keine Zweifel hätten, wären Sie genauso schlimm wie die Adepten.«
    »Das klingt fast so, als wollten Sie, dass ich es tue.«
    Sie suchte nach einer Antwort, die, so schmerzhaft sie auch sein mochte, der Wahrheit nahe käme. »Vielleicht.«
    »Auch wenn ich damit den Teil von Mina tötete, der überlebt hat?«
    »Ich habe in ihrem Schatten gelebt, solange ich denken kann. Auch nach ihrem Tod … hatte ich immer das Gefühl, sie würde mich beobachten, würde jeden meiner Fehler registrieren und wäre stets ein wenig enttäuscht, weil ich nicht all das erreichte, was sie von mir erwartete.«
    »Sie sind zu streng mit sich selbst. Und so, wie es sich anhört, auch mit Mina.«
    »Ich weiß«, sagte Naqi aufgebracht. »Ich sage ja auch nur, wie ich empfinde.«
    Das Boot schob sich in eine Bucht, die tief in den Knoten hinein reichte. Naqi fühlte sich jetzt nicht mehr so angreifbar: die organische Materie reichte so weit in die Tiefe, dass sie das Boot von allen seitwärts gerichteten Sensoren abschirmte, die das Shuttle ausgefahren haben mochte. Dabei hatte es ohnehin den Anschein, als wären die Sensoren am Shuttlerumpf mehr oder weniger senkrecht nach unten gerichtet. Der Nachteil war, dass sie nun den Flug des Raumschiffs nicht mehr ständig verfolgen konnten. Vielleicht steuerte es bereits auf sie zu?
    Sie hielt das Boot an und stand auf.
    »Was ist?«, fragte Weir.
    »Ich habe eine Entscheidung getroffen.«
    »Wäre das nicht meine Aufgabe?«
    Ihr Zorn war verflogen – es war nur eine kurze Aufwallung gewesen, die sich weniger gegen Weir persönlich richtete als gegen die Ausweglosigkeit der Situation. »Ich rede vom Schwimmen. Es ist das Einzige, was wir noch nicht in Betracht gezogen haben, Rafael. Vielleicht gibt es eine dritte Möglichkeit, und wir brauchen weder die Adepten gewähren noch den Ozean sterben zu lassen.«
    »Ich kann mir nicht

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