Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 2 (German Edition)
Erkenntnis. Sie fürchtete sich vor einer Wiederkehr des Finstermagiers, sodass sie bald zum Aufbruch drängte.
„Ich bitte dich, Rhavîn. Lass uns jetzt aufbrechen. Denn wenn du erst deinen Auftrag erledigt hast, wird N’thaldur keinen Grund mehr sehen, uns nachzustellen. Dann wird er uns nicht mehr nach dem Leben trachten!“ Mit einem Kopfschütteln fügte sie hinzu: „Ich begreife bloß nicht, was an einer einfachen Botschaft so aufsehenerregend sein soll, dass N’thaldur, der größte aller Finstermagier, selbst hier auftritt, um uns davon abzuhalten, diese Nachricht zu überreichen.“
„Ich kann es mir auch nicht erklären“, wiegelte Rhavîn schnell ab. Seine Stimme klang dumpf, seine Augen glänzten melancholisch. Wenn sie wüsste . Der Meuchelmörder nahm seine Waffen wieder auf. Neben seinen Schwertern und den Kanagi-Ten hatte er auch alle zehn Arinatu-Kéiy wiedergefunden. Sorgsam verstaute er jede einzelne Waffe.
Auriel folgte seinem Beispiel und wartete dann auf Rhavîn, der sich ein letztes Mal von seinem besten Freund verabschieden wollte.
Der Dunkelelf gab Nymion einen Kuss auf die Stirn, flüsterte ihm einen letzten Gruß zu. Dann trat er zu Auriel, um mit ihr gemeinsam die letzten Meilen nach Dragelund fortzusetzen. Zuvor allerdings beschwor die Hexerin ihre eigenen Kräfte, rief die heilende Magie der Umgebung herbei, um sowohl ihre, als auch Rhavîns Verletzungen zu heilen. Nahezu alle Wunden konnte sie so weit verschließen, dass sie kaum noch schmerzten und sie zumindest beim Gehen nicht behinderten.
Rhavîn kannte sich so weit mit der Magie aus, dass er sich nicht darüber wunderte, dass Auriel auch noch zaubern konnte, obwohl sie sich von den Göttern abgewandt hatte. Zwar waren ihr die mächtigsten magischen Fähigkeiten durch die Kraft der Götter geschenkt worden, doch verfügte sie auch über eigene Zauberkräfte, die sie auch ohne die Hilfe der verwobenen Grauen heraufbeschwören konnte.
„Es ist der vierzehnte Tag“, erklärte er, nachdem sie die Lichtung verlassen hatten. „Wir werden heute oder spätestens morgen in Dragelund ankommen.“
Wie zum Hohn schien an diesem Tag die Sonne in strahlender Pracht vom wolkenlosen Himmel herab. Die Natur bot genügend Früchte, Pilze und Nüsse, sodass zumindest Auriel ihren morgendlichen Hunger unterwegs stillen konnte. Rhavîn dagegen verzichtete auf jegliche Nahrung. Sein Magen rebellierte, immer wieder übergab er sich. Die Gedanken des Meuchelmörders kreisten um Nymion. Einzig der Auftrag, der wie eine geballte Faust in seinen Gedanken hing, hielt ihn auf den Beinen. Rhavîn war außergewöhnlich blass. Seine leicht geröteten Wangen zeugten von der Hitze, die ihm seine Tränen bescherten. Der Sícyr´Glýnħ bewegte sich langsam, sein ganzer Körper krümmte sich von dem Kummer, den sein Herz in sich trug. Er sprach kaum ein Wort, wenn Auriel ihn ansprach, reagierte er nicht.
Noch immer war die Natur von N’thaldurs finsterem Fluch bedeckt, doch spürten sowohl Rhavîn als auch Auriel, dass er dabei war, zurückzuweichen. Der Wald war längst nicht so feindlich wie noch am Tag zuvor. Nur selten sahen die beiden Tiere oder Pflanzen, die durch die finstere Magie perfide Formen angenommen hatten.
Der Weg nach Dragelund lag klar und deutlich vor ihnen, nur ein einziges Mal hatte Rhavîn das Gefühl, dass der Wald ihn in die Irre führen wollte. Dies war der erste Augenblick, in dem Rhavîn aus seiner Melancholie erwachte. Wie ein Nachtfalter schälte er sich aus seinem Kokon, Rhavîn war zum ersten Mal an diesem Tag ansprechbar und konzentriert. Obwohl er angeschlagen und geschwächt war, gelang es dem Meuchelmörder, die Tücken der Magie zu durchschauen. Ihre Listen perlten von dem Dunkelelfen ab wie Regen auf Glas, Rhavîn fand den richtigen Pfad.
Ihr Weg führte die beiden vornehmlich durch den Wald und zwischen zerklüfteten Sandsteinfelsen immer wieder durch Schluchten und höhlenartige Passagen. Allmählich gelangten Auriel und Rhavîn in immer höher gelegene Regionen des Hochlandes, das in dieser Region Bønfjatgars vorherrschte.
Gegen Nachmittag schließlich änderte sich die Landschaft. Der Wald zerfächerte sich immer mehr, bot Hangwiesen und grasbewachsenen Seenebenen Platz. Noch immer war die Waldlandschaft vorherrschend, wie nahezu überall in diesem Land, doch wanderten Rhavîn und Auriel nun vermehrt über Wiesen, grüne Ebenen und durch lichte Täler. Findlinge und Seen prägten die Landschaft. Selten
Weitere Kostenlose Bücher