Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 2 (German Edition)
sprechen.
Grímmaldur bedankte sich abermals dafür, dass Auriel der Prophezeiung Folge geleistet hatte. Dann sagte er: „Auriel, heute Abend werde ich zu Euren Ehren ein Fest abhalten. Es soll gefeiert werden und ich werde den Göttern zum Dank ein großes Opfer übergeben. Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr Euch zu mir an die Tafel gesellen würdet. Bis dahin habt Ihr genügend Zeit, Euch auszuruhen.“
Auriel nickte zustimmend. In dieser Situation, in der sie nichts sehnlicher wollte, als allein gelassen zu werden, hätte sie jedem Wunsch des Königs nachgegeben.
Während der Jarl seine Gefolgsmänner zusammenrief, um sie zu veranlassen, das Fest vorzubereiten und alles für ein riesiges Bankett vorzubereiten, begleitete Renia die junge Frau in das Langhaus des Königs der Nordmarken zurück.
Da die Zauberin darum bat, allein gelassen zu werden, verließ Renia ihren Gast, um sich gemeinsam mit einigen anderen Frauen an die Vorbereitungen für das Fest zu geben. Bis zum Abend standen noch viele Arbeiten an. Neben dem üppigen Mahl musste auch noch das Opfer vorbereitet werden. Sowohl das Fest als auch die Opferungszeremonie mussten dem gegebenen Anlass würdig sein.
Auriel indes zog sich in das Schlafgemach zurück. Erschöpft kauerte sie sich in eines der Betten und gab sich ihrem Kummer hin. Zwar war sie dankbar, von Finsternis und schwarzer Magier erlöst zu sein und einen neuen Weg gefunden zu haben, doch tröstete sie das nicht über ihren schrecklichen Verlust und die Schuldgefühle hinweg.
Nun weiß ich zumindest, dass tatsächlich jemand Großes mit mir vorhatte , grübelte sie traurig. Nur waren es nicht die verwobenen Grauen, sondern andere, lichte Götter. Gute Gottheiten, die einem gerechten König Gutes zuteilwerden lassen wollten. Bloß frage ich mich, weshalb gerade ich zum Mittelpunkt dieses Schicksals werden musste. Warum musste ich Rhavîn kennenlernen, bevor ich ihn tötete? Und mich sogar in ihn verlieben? Auriels Körper krampfte sich zusammen, die Zauberin weinte. Diese Prüfung ist zu hart für mich ... Oder vielleicht war gerade dies die Probe, ob ich wirklich bereit bin, mein Leben zu ändern und von heute an auf guten Pfaden zu wandeln?
Tausende Gedanken schwirrten in Auriels Kopf herum. Sie merkte gar nicht, wie die Zeit verstrich. Mal weinte sie hemmungslos, dann schrie sie vor Wut und hieb auf die Betten ein. Dann wiederum sah sie alles sonderbar klar und war guter Dinge. Die Zauberin befand sich in einem Wechselspiel der Gefühle. Sie vermisste Rhavîn schmerzlich und fragte sich auf der anderen Seite, ob sie ohne ihn nicht besser lebte. Sie war glücklich, die dunkle Seite verlassen zu haben, doch vermisste sie ihr altes Leben. Es war alles, was sie kannte. Es hatte ihr Halt und Schutz gegeben. In einem Moment war Auriel glücklich, all den Schmerz und die Trauer spüren zu können. Im nächsten Moment verfluchte sie ihre plötzliche Empfindsamkeit und sehnte sich zurück zu der Zeit, als sie noch grausam und herzlos gewesen war. Doch tief in ihrem Inneren wusste die Zauberin, dass ihre verzweifelten Bemühungen, zu ihrem alten Ich zurückzukehren, in Wahrheit nur feige Versuche waren, ihren Kummer zu verdrängen.
Sechsundzwanzigstes Kapitel: Bären gegen Wölfe
Gegen Abend drang plötzlich der Duft verbrannten Holzes an Auriels Nase. Fast zeitgleich erklang das rhythmische Schlagen großer Trommeln. Die junge Frau horchte auf. Schrecken krochen heran, tasteten sich in Auriels Körper. Erschrocken stellte sie fest, dass es schon früher Abend war, als sie durch die hochgelegenen Fenster den dunkelnden Himmel bemerkte.
Ich werde einmal nachsehen, ob das Fest bereits begonnen hat. Auriel schauderte. Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob mir das gefällt, was mich erwartet. Aber hoffentlich kann ich mich bei Musik und gutem Essen wenigstens ein wenig ablenken. Mein Magen knurrt, als hätte ich bereits seit Wochen nichts mehr gegessen.
Auriel verließ den Schlafraum, eilte durch den langen Flur des Langhauses und trat dann hinaus. Die kühle Abendluft blies in ihr Gesicht, die roten Strahlen der untergehenden Sonne umfingen ihren schmalen Körper. Auriel atmete tief durch und warf dann einen Blick über Dragelund, das in rotgoldenen Schein getaucht war.
In der Nähe des Steinkreises, der außerhalb des Palisadenwalls in Richtung des Waldes inmitten der idyllischen Hügellandschaft lag, waren mehrere lodernde Feuer aufgeschichtet worden. Etliche Tische bogen sich unter
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